Sonntag, August 12, 2018

Ich verstehe die 'Migrations-hater'

In den digitalen Medien von Facebook bis in die Kommentare in der Welt- und Spiegel-online explodiert die unqualifizierte Wut gegen Immigranten, Medien und Politik pauschal und vorurteilsbeladen, widerspruchsresistent und krass in der Wortwahl.

Manchmal ertappe ich mich dabei, auch einfach einzustimmen und drauf zu hauen und entschuldige mich dann damit, dass es auf mein Rauskotzen letztlich im Chor der Vielen auch nicht mehr ankommt.

Warum ist das so, was ärgert mich eigentlich, dass ich mich unkontrolliert und im Bewusstsein, bar jeder Erkenntnis und Vernunft - ich behaupte auch gegen meine gelebte Haltung - derart die Sau raus zu lassen? 

Natürlich ist da das Medium als solches, was das zulässt, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Aber das ist nicht die Ursache, es ist mein Instrument. Die diversen Plattformen bieten darüberhinaus die berauschende Möglichkeit, die ewige soziale Kontrolle, die das Zusammenleben nun mal fordert, zu ignorieren und ein Ventil zu öffnen, erzwungen Angestautes abzulassen. Und sich verstanden zu fühlen von den Vielen um einen herum, denen es nicht anders geht.

Ich empfinde, dass der soziale Wohlverhaltensdruck zugenommen hat. Ich darf nicht mehr Negerkuss sagen, nicht mehr Zigeuner. Von mir wird erwartet, dass ich Homo-Ehen gut finde und gendergerecht spreche und schreibe. Ich soll zustimmen, wenn Kampagnen gefahren werden, die mir Nazigedankengut unterstellen, wenn ich es nicht gut finde, dass Kinder mit Downsyndrom geboren werden, sondern für Abtreibung bin, wenn sich das im frühen Stadium verhindern lässt. Ich empfinde es als krank, wenn Leute verratzte Hunde aus Bulgarien oder Spanien einfliegen, um ihnen hier ein Schönes Leben zu ermöglichen, weil ich überzeugt bin, dass es sich dabei um einen Akt der Selbsttherapie handelt und die Tiere sozusagen instrumentalisiert werden. Mit diesen Äußerungen decouvriere ich mich als Unmensch. 

Ich könnte endlos so weiter machen.

All das und viel mehr darf ich nicht. Ich muss unterdrücken will ich von ernst zu nehmenden Leuten ernst genommen werden. Das geht nicht nur mir so. Das geht Journalisten so und Politikern, einfach Allen, die sich außerhalb ihres unmittelbaren Bekanntenkreises äußern.

Bekennen Sie mal als jemand, dessen Äußerungen man in der Öffentlichkeit wahrnimmt, dass Sie gegen die selbsternannte Seenotrettung im Mittelmeer sind. Oder dass Sie meinen, die EU müsse ihre Grenzen rigoros kontrollieren und jeden abweisen, den sie nicht durch lassen will. Sie sind ein toter Mann (muss ich jetzt /Frau schreiben?), schlimmer noch ein Nazi und machen die AfD stark. Klappe zu, Affe tot.

Und deshalb habe ich Verständnis für die Hater, die zu wüstesten Formulierungen greifen. Es sind Menschen, wie ich, die nur bedingt verstehen, welche Kräfte wirken, was mit ihnen geschieht, die aber keine Antworten bekommen, selbst wenn sie fragen. Und wenn sie Antworten bekommen, sind sie unverbindlich, wie die Politik, unpräzise und verschleiernd. Und dann lospoltern, die angestaute Wut raus lassen an Allem, was im Weg steht, Jedem, dem sie die Schuld geben. Der Merkel, der Lügenpresse, den Linken, den Grünen, den Immigranten.

Ich nehme die Migration und die Integrationssituation, ein Thema das mich selbst enorm umtreibt, plakativ als Beispiel - formuliere nicht als Hater, sondern als jemand, der sein Unbehagen für sich selbst zu ergründen sucht.


Mich wundert nicht, dass die Menschen angesichts der durchaus als aggressiv wahrgenommenen Forderung - zumal durch Zuwanderung aus dem Islamischen Kulturraum - unsere eigene Lebensart zurück zu stellen zu Gunsten von Verhaltensweisen, die unseren diametral entgegen stehen, deutlich ablehnend reagieren. 

Und wenn nun sichtbar wird, dass die mediale Öffentlichkeit und die Politik, die Besorgnisse von Betroffenen klein redet, dann darf man sich nicht wundern, dass der Ton rauher wird. 

Wenn man dann noch erkennt, dass unser Rechtssystem - aus und für unsere europäische  Binnenkultur entwickelt und auf die hier herrschenden Verhaltensmuster zugeschnitten - keine Regeln zum Umgang mit den Verhaltensmustern anderer Kulturen und deren gelebtem Rechtsverständnis anbietet, sich die Politik gleichzeitig als uneins in Grundfragen kultureller Lebensart zeigt und hilf- und wehrlos wirkt, dann wird’s schwierig.

Es gibt inzwischen unzählige Fälle in denen Verhaltensweisen aus anderen Kulturkreisen hier bei uns gelebt werden, für die unser Rechtssystem keine Entsprechung findet oder Sanktionierungsmöglichkeiten hat. Und polizeiliche Ermittlungsansätze an Grenzen stoßen, die unser Recht den Ermittlungsmethoden setzt (Vielehe nach islamischem Recht oder Mädchenbeschneidung etc.) 

Wenn nun noch europäisches, meist nicht demokratisch legitimiertes Recht übergeordnet eingreift und sich Politiker dahinter verstecken, um sich selbst nicht außerhalb des Mainstreams exponieren zu müssen, so ist das nicht gerade vertrauensbildend. Merkel verhält sich so gesehen in der Migrationsfrage prototypisch.

Wenn dann letztlich das Selbstverständlichste jedes Staatswesens, die Grenzsicherung, durch moralische Appelle zu Gunsten all derer aufgehoben wird, die von Wohlmeinenden pauschal als Flüchtlinge, also per se schutzbedürftige eingestuft  werden, unabhängig woher und aus welchem Motiv sie die Grenze überschreiten, und sei es mit Gewalt oder widerrechtlich, dann ist es nicht weit hin zur Überforderung der Toleranz.

Und wenn nun Menschen aus den unerschöpflichen Vermehrungsquellen Afrikas den Flüchtlingsstatus reklamierend über das Mittelmeer strömen, und Frau Merkel an die Stelle von Maßnahmen wieder nur Bemühungen um europäische Solidarität stellt, schrumpft das Verständnis völlig.

Dass da zuverlässig im Lauf der Zeit Hilfsbereitschaft in Hass, Urteil in Vorurteil  umschlägt, liegt auf der Hand.

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