Dienstag, Mai 22, 2012

Spanische Probleme

Ich komme gerade von einer 3-wöchigen Rundreise innerhalb Spaniens und finde bestätigt, was ich in den vergangenen 10 Jahren bei jährlichen Rundreisen kreuz und quer durch das ganze Land beobachtet habe: Spanien hat mit EU-Geld, also Finanzierung, die nicht die Wirtschaftskraft des Landes darstellt, das unbestreitbar umfassendste und perfekteste Straßennetz aller Länder Europas aufgebaut. Schauen Sie sich als Beispiel mal aus der Volgelperspektive auf einer Navigations-Software alleine Madrid mit der Schnellstraßen-Verkehrsinfrastruktur an, die alles übertrifft, was eine andere Europäische Hauptstadt zu bieten hat. Ca. 80% davon sind in den Jahren seit Eintritt in die EU entstanden. 
Nichts gegen eine gute Infrastruktur und prima vista sinnvoll.
Offensichtlich ist aber die Tatsache, dass dieses in allen Aspekten äußerst luxuriöse  Straßennetz gemessen am Bedarf vielfach überdimensioniert ist.
Zwei konkrete Beispiele einer beliebig verlängerbaren Liste:
Auf einer Strecke wie Burgos - Madrid, einer Autobahnlänge von ca. 260 km, sind rund 220 meist beidseitige Auffahrten mitgebaut worden - also etwa alle 1 1/2 km eine Auffahrt. Auffahrt heißt meistens beidseitig Kreisverkehre verbunden durch Überbrückung der Autobahn.  Manchmal sind Tankstellen im Abstand von keinen 2 km zu finden. Das hat richtig Geld gekostet. Ich fuhr die Strecke am 26. April, einem Donnerstag. Das Lastverkehrsaufkommen entsprach dem an einem Sonntag bei uns - PKW waren ohnehin kaum unterwegs.
Das zweite Beispiel.
Das 38.000 Bürger zählende, landwirtschaftlich geprägte Städtchen Tomelloso mitten in der Mancha hat nicht weniger als 6 direkte, aufwändige Autobahnzufahrten. Ich habe mich auf eine der Brücken gestellt, um das Verkehrsaufkommen zu beobachten. In keiner Richtung bewegte sich innerhalb einer knappen halben Stunde ein Auto auf der Autobahn. Näheres hierzu hier>>.
Überhaupt habe ich festgestellt, dass man im Land überall locker 50km auf besten, nagelneuen, kurvenreich in die Berge gefrästen Straßen mit Bundesstraßencharakter fahren kann, dabei vielleicht ein, zwei kleinere Orte quert und hoch gegriffen 10 Autos begegnet.
Über das gesamte Land - 550.000 qkm (Deutschland 357.000 qkm) - bei einer außer großstädtischen Besiedelungsdichte unter 20 Einwohner/qkm (Deutschland 229 Einwohner /qkm) wurde ein flächendeckendes Straßennetz gelegt, dessen Herstellung keinen Zusammenhang mit der Wirtschaftskraft des Landes aufweist.
Das wäre noch nicht so schlimm, wenn die Nutzung - insbesondere die durch Warenverkehr und damit zum Nutzen der Wirtschaft - den Bedarf rechtfertigen und letztlich die Erhaltung finanzieren würde. Dem ist aber nicht so: Die Ausprägung und der Umfang des Verkehrsnetzes hat keinen Zusammenhang mit dem Verkehrsaufkommen.
Die Folge wird zwangsläufig sein, dass die Erhaltungsaufwendungen nicht gedeckt werden können und der Verfall vieler, ich behaupte der meisten, neuen Straßen programmiert ist.
Der Wahnsinn ist Ausdruck einer unkontrollierten, nicht wirtschaftlichen, sondern politisch determinierten Entscheidungsfindung in der EU und in Spanien. Er schlägt sich darin nieder, dass die unglaublichen Milliarden über den Spanischen Staat in die Bauwirtschaft geflossen sind, von da ausgehend sehr viele gering qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen und den Beschäftigten vorübergehend Wohlstandsgefühle vermittelt haben.
Der Boom, zurückzuführen auf die Milliarden, die nicht der eigenen Wirtschaftskraft entsprungen sind, hat die Unternehmer, die Bevölkerung und die Banken berauscht und alle haben sich und ihre Zukunft verschuldet.
Und nun hat die Politik Probleme, den Menschen zu vermitteln, dass alle zwar gearbeitet und alle dafür Geld bekommen haben, aber leider viel mehr, als es der wirtschaftlichen Leistung entspricht und dass es so nicht weiter geht und es unausweichlich ist, den bitteren Weg zurück zu gehen und sich mit dem zufrieden zu geben, was erwirtschaftet wird.
Mir erscheint es eine sehr zweifelhafte Politik, wenn weiterhin, wie wohl letztlich zur Vermeidung des Ausbruchs sozialer Spannungen unumgänglich, durch weitere Verschuldung - egal wessen Verschuldung - einzelnen Ländern und deren Bevölkerung die Möglichkeit finanziert wird, einen Lebensstandard zu halten, der losgelöst ist von der eigenen Wirtschaftskraft,
Das kann ebenso wenig gut gehen, wie eine Brücke trägen kann, deren statische Berechnungen aus politischen Gründen auf der Annahme gründen, dass drei plus drei sieben ergeben solle.