Donnerstag, Mai 22, 2014

Antwort auf die Antwort


Hier nehme ich Bezug auf die Antwort meines Gesprächsgegenüber, dessen Reaktion auf meinen vorigen Post als Kommentar zum Nachlesen eingefügt habe.
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Ich zitiere daraus: In der Tat, ich befürworte ein sozialistisches System. Keineswegs jedoch die DDR. Es geht um Sozialismus in Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Frieden und Demokratie. Ich möchte, dass die Wirtschaft den Menschen und nicht die Menschen der Wirtschaft dienen. Ich denke, auf dieses Konzept sollte man sich verständigen.

Wir sind uns völlig einig - wenn Sie die Schablone "Sozialismus" einfach weg lassen.

Kein bisher so bezeichnetes System hat sich bewährt, alle gelebten sozialistischen Gesellschaften waren  unfrei, nicht rechtsstaatlich, bedingt friedlich und schon gar nicht demokratisch. Sie traten als Traum von Gleichheit und Gerechtigkeit an und landeten erbärmlich in einem ineffizienten, staatswirtschaftlichen Funktionärssumpf, in dem Intrige und Gesinnungsschnüffelei zu Unterdrückung, Bespitzelung und materieller Verarmung "der Massen" bei gleichzeitigem Wohlstand der Funktionäre geführt haben.

Statt im Wettbewerb um die beste Lösung zum eigenen Nutzen strebender Konzerne in den Händen von Topmanagern und vieler Aktionäre setzt Sozialismus auf Staatswirtschaft. Es gibt keinen Staat, der ressourcenschonend und effizient wirtschaftet - nicht einmal ein kapitalistisch organisierter. Erst recht kein sozialistischer. Oder kennen Sie einen?

Sozialismus verkörpert für mich nicht das Böse - im Gegenteil! Sozialismus als die Idee von einer gerechten, humanen Welt wäre sozusagen gelebtes Christentum.

Nur klappt es nicht. Zwischen angestrebter Idee und Wirklichkeit klaffen Welten und beide "Religionen" neigen dazu,  ihre Prinzipien zu verraten, wenn sie an den Punkt kommen, wo sie am ihnen zugrunde liegenden Menschenbild des 'selbstlos Gläubigen' zu scheitern drohen. Dann muss die Gesinnung erzwungen werden, weil sonst das Modell in seiner Gesamtheit kollabiert. Und das versucht - sehr menschlich aber sehr unchristlich/unsozialistisch - die herrschende Funktionärshierarchie zu verhindern.

Irgendetwas muss an dem Modell falsch sein, was auf dem Papier so gerecht und human zu lesen steht und doch bisher immer leidvoll an der Umsetzung gescheitert ist. Vielleicht, wie ich meine, an den Menschen und ihren Eigenschaften?

Warum greifen Sie zur Behebung von Missständen zu einer Modellidee die mehrfach probiert und in vielen Spielarten versucht, immer wieder gescheitert ist? Um eine zu beseitigen, die für die Vielzahl derer, die im demokratischen Kapitalismus leben, für weitgehende Rechtssicherheit, Freiheit und Wohlstand sorgt?

Warum nicht die Kraft in das Bemühen investieren, unser zumindest in Sachen Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand erfolgreiches Modell des Kapitalismus dort zu  heilen wo es krankt? Warum wegen der sich zeigenden Schwierigkeiten zu einem Denkmodell greifen, was den Beweis der Untauglichkeit in allen angestrebten Aspekten erbracht hat?

Ich verstehe das nicht.

An andere Stelle schreiben Sie: Und nichts ist so naiv wie der Glaube, man könnte doch globale Regeln einführen, um die negativen Auswüchse des Kapitalismus zu regulieren.

Aber ein sozialistisches Modell kann das Unmögliche? Auf demokratischem, rechtsstaatlichen, friedlichen und freiheitlichen Wege? Weltumspannend? Ich zweifle daran.

Wie wäre es denn mit der Idee, die Bevölkerung zu Aktionären zu machen mit folgenden Effekten?
  • Das Betreiben von Wirtschaft bleibt bei denen, denen man heute ihren Erfolg vorwirft und landet nicht in den Händen von meist weniger professionellen Politikern und Beamten, wie bei der Staatswirtschaft unausweichlich.
  • Die Wirtschaft diente den Menschen durch Beteiligung als Aktionäre an eben dem Gewinn, den man dieser Gruppe von Menschen, die das heute bereits tun, vorwirft.
  • Teilhabe an Mitbestimmung durch die Aktionärsrechte bezüglich der Unternehmens-Führung, Unternehmens-Politik und Gewinnverwendung.
  • Teilhabe am Produktivvermögen, das sie als Mitarbeiter selbst erwirtschaften.

Nur mal so gefragt.

Gruß vom flachen Land vermutlich in die Stadt

PS: Ich vermute auch von Alt zu jünger.
Das deshalb, weil ich die Entwicklung unserer Republik von Anbeginn erlebt habe. Und damit eine Entwicklung der politischen Verortung unserer Gesellschaft, die ich gemessen an der Ausgangslage als ausgesprochen sozialistisch erkenne. Es hat der schleichende Sieg des Sozialismus in der Praxis längst stattgefunden, eines Sozialismus getragen von den Effekten der kapitalistischen Relikte von Eigentum, Vertragsfreiheit und Rechtssicherheit. Die Werbespots der KPD zur Europawahl sind der lebende Beweis dafür, dass Sozialismus von Leuten gefordert wird, die noch gar nicht gemerkt haben, dass er längst herrscht.
Kommt mir vor wie dereinst die RAF, die nicht kapiert hat, dass sie für eine ausgebeutetes Proletariat kriminell geworden ist, das es nicht mehr gab. Oder die Gewerkschaften, denen der kapitalistische Wohlstand ihr Kernklientel genommen hat: Die unterdrückte Facharbeiterschaft. Heute unterstützt VERDI Piloten bei ihrem Streik von 10 - 20.000 EUR Monatsgehalt bei der Forderung nach einer 10%igen Gehaltserhöhung und sucht sich am unteren Rand ihr Klientel bei den ungelernten Hilfskräften (Was noch Sinn macht.)

Freitag, Mai 16, 2014

Persönliche Antwort auf einen kapitalismuskritischen Brief.

:-) ich hab's mir ja gedacht: der Kapitalismus ist Schuld. Und zwar an allem! (Sogar an unserem Wohlstand hierzulande. Zeit, ihn abzuschaffen.)

Wenn dem so ist - und Sie zitieren ja die in den Medien weidlich breit getretenen Folgen und Beispiele weltweit undisziplinierter egoistischer wirtschaftlicher Aktivitäten von Nationen, Organisationen, Kapitalkomplexen und Einzelfiguren - dann tun wir (alle!) gut daran, zusätzliche Regeln einzuführen und weitestgehend möglich in unserem eigenen Verhalten zu beachten. Übrigens ganz im Sinne des erwähnten Artikels, über den Sie sehr rasch hinweg gegangen sind, um sich in die Reihe der Klischee-Aufzähler einzureihen - die Spitze muss sein.:-)

Schön wäre, wenn wir uns darauf einigen könnten, dass der Kapitalismus nicht abgeschafft werden kann und schon gar nicht durch einen anderen ....ismus ersetzt werden sollte.

Weil ich aber befürchte - Unterstellung, zugegeben - dass Sie eher der Überzeugung sind, dass es darum geht, den Kapitalismus abzuschaffen, versuche ich meinen Standpunkt  zu erklären.

Er lautet: Kapitalismus kann nicht abgeschafft werden, weil er Ausdruck biologisch determinierter menschlicher Verhaltensweise ist. Der entscheidende Unterschied zu den bekannten alternativen Gesellschaftsmodellen besteht darin, das Kapitalismus keine Ideologie, sondern Ausdruck menschlichen Wesens ist. Folglich erhebt der Kapitalismus keinen eigenen normativen Anspruch.
Kapitalismus abschaffen hieße Menschen abschaffen [was vielleicht nicht so schlecht wäre :-)], Kapitalismus verbieten scheitert zwingend, weil es zu absoluter materieller Verarmung Aller führte. (Mal abgesehen davon, dass global vernünftig geregelter Kapitalismus die einzige Chance für menschenwürdiges Dasein in Wohlstand für alle nicht nur versprechen, sondern auch halten könnte.)

Kapitalismus ist ein Ausdruck menschlichen Egoismus, der überall dort in allen seinen Ausprägungen wirksam begrenzt und geregelt sein sollte, wo sein Ausleben zu Lasten anderer geht - nicht nur im Materiellen. Darum geht es im Kern. 

Was nun tun mit den unübersehbar negativen Auswirkungen kapitalistischer Verhaltensweisen, wo doch Wissen, Kapital und Macht global arbeiten und zunehmend ungleicher verteilt sind? Ich habe auch keine Sofortlösung, keine Patentlösung wenn z.B. China in Afrika durch Bestechung der Regierenden riesige fruchtbare Ländereien aufkauft und für eigene Zwecke ausbeutet zu Lasten der indigenen Bevölkerung und ihrer Lebensform. Ich weiß aber, dass wir spät dran sind und das Bohren harter und dicker Bretter vor denen liegt, die die Situation verbessern wollen.

Und ich weiß, welche Lösungen nicht helfen können und werden: Das Hirn abschalten mit den Methoden radikaler Gruppierungen wie Boko Haram, Autonome in Berlin, Hamburg und sonstewo, evangelikaler Fundamentalisten und methodenverwandter Vorgehensweisen. Ich hoffe, dass wir da keinen Dissens haben. 

Aber auch eine erneuter Versuch, die Mängel und Ungerechtigkeiten kapitalistischen Verhaltens durch erzwungene Installation  idealistischer Gesellschaftsmodelle zu beseitigen, die von Überzeugungen oder Glauben getragen sind, wird nicht weiter helfen - schon wegen des Anspruchs globaler Umsetzung und Wirkung.

Außerdem stecken hinter '...ismen'  immer Ideologien, die der Tarnung konkreter Machtinteressen dienen. Ideologien dienen immer Wenigen dazu, die Mehrheit zur Erreichung persönlicher Ziele der Wenigen einzuspannen. Ideologien sind im Regelfall autoritär weil erdacht und nicht demokratisch entwickelt und legitimiert und enden aus innerer Logik immer undemokratisch - der moralische Anspruch der Idee wird notfalls erzwungen. Das ist selbst bei Religionen nicht anders. Dabei bedienen sich alle Ideologien zunächst im Kern immer des "Versprechens der Befriedigung individueller, egoistischer Wünsche, Erwartungen und Träume in der Zukunft", um zu verführen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass selbst Religionen, wie die christliche, zu den demagogischen Mitteln der Verführung griff und greift: Folge mir, es wird zu Deinem Nutzen sein.

Ideologien bieten Lösungen für das Unlösbare. Wir sind geneigt, uns von denen verführen zu lassen, die im Brustton der Überzeugung  Lösungen anbieten, die die Ungerechtigkeiten  beseitigen, die der Einzelne empfindet oder erkennt. Dabei haben Ideologien noch nie etwas gelöst - schon gar nicht das Problem von Ungerechtigkeit. Sie haben bestenfalls über Schweiß und Blut die Machtverhältnisse aus den Kopf gestellt.

Ich würde vorziehen, Schieflagen zielorientiert auf dem Hintergrund definierter Grundsätze mit Wissen, Verstand und Beharrlichkeit anzugehen, Leidenschaft und Überzeugung nur als Treibstoff einzusetzen. Und ich würde erwarten, dass einer Veränderung eines Zustandes mit negativen Erscheinungen auch die Würdigung der positiven Seiten vorausgeht. Gerade heute neigt die Kritik am Kapitalismus und seinen ins Rampenlicht gezerrten Protagonisten zur Maßlosigkeit. In Vergessenheit gerät, dass jedes erfolgreiche Unternehmen - selbst Banken! - auch eine Gemeinwohlnutzenseite haben. Florierende Wirtschaft dient nun mal den meisten - auch wenn diese Erkenntnis ärgerlich ist.

So sehe ich in der EU, den TTIP-Absichten wie in der Globalisierung und vielen weiteren von Ihnen zitierten Maßnahmen eher die Vor- als die Nachteile. Die Aufgabe besteht in der umsichtigen Ausgestaltung der Regeln, nicht in der Verweigerung, weil wir befürchten.... Unserem politischen System fehlt allerdings all zu oft die Fähigkeit, die Folgen von Entscheidungen zu durchdenken und schlüssig zu handeln. (Vermutlich oft wegen des Kompromisscharakters demokratisch zustande gekommener Entscheidungen und der Interessenlagen zumal auf internationaler Ebene.)

Übrigens: Ist Ihnen eigentlich schon aufgefallen, dass der Kapitalismus das einzige "Gesellschaftssystem" ohne ideologischen Unterbau ist, ohne Bibel, ohne Kapital, ohne Koran auskommt, keinen 'Schöpfer' hat, der Glaubenssätze vorgibt und persönliche Erkenntnisse in Wahrheiten verpackt, nicht dem Gehirn eines demagogischen Einzeltäters entsprungen ist?

Warentausch und Handel, Geld und Markt sind sehr ursprünglich mit dem Menschen verbunden und haben ihre Wurzeln außerhalb intellektueller Denkmodelle im instinktiven Bestreben jedes Einzelnen nach einem persönlichen Nutzen materieller über ideeller Natur. Das sagt etwas über Ursprung und Kraft dessen aus, was wir heute als "kapitalistisches System" verteufeln.

Wir haben zugelassen, dass sich Geld verselbstständigt hat und sich global der Kontrolle entzieht. Das war falsch und es wird dringend Zeit, gegen zu steuern.  Demokratisch und konstruktiv, mit Verstand und nicht mit Glauben. Eine nationale Kartellbehörde wird das wohl nicht schaffen ;-) 

Da sind wir uns hoffentlich einig.