Dienstag, September 13, 2005

Demokratie in der Wahlzeit

Wir schreiben das Jahr 2005 und in einer Woche wird in Deutschland eine neue Bundesregierung gewählt - Anlass, sich über Demokratie in unserer Gesellschaft Gedanken zu machen.
Als halbwegs informierter und interessierter Bürger leide ich physisch unter der unausweichlichen Dichte falscher, dümmlicher, verlogener, wider besseres Wissen geäußerter Argumente aus dem Munde der führenden politischen Köpfe unserer Nation.
Eigentlich möchte ich nicht, dass die, die sich so verhalten, meinen Lebensraum gestalten - und genau um die Macht, das tun zu dürfen, wird gebuhlt.
Diesen Beitrag nutze ich als Not-Ventil, um mir Frust und einen konstruktiven Vorschlag von der Seele zu schreiben - unter Verzicht auf 'political correctness'.


Ich beobachte

Politiker argumentieren mit beliebigen Zahlen, platten Argumenten, groben Vereinfachungen, emotionalen Appellen an Angst- und Neidpotentiale. Sie werfen sich gegenseitig Versagen und mangelnde Lösungskompetenz vor und versuchen für sich selbst über Charme, Charisma und Optik Stimmen zu fangen. Dabei wird weitgehend auf kompetente Sachargumentation verzichtet und man könnte den Eindruck gewinnen, dass Sachkompetenz schadet.
Gerechtfertigt wird dieses Verhalten mit fehlender Vermittelbarkeit der komplexen Zusammenhänge und der - unausgesprochen - Überzeugung der Politiker, der Wähler sei ohnehin zu dämlich, um zu kapieren und als Primitivwesen wenn schon nicht mehr mit Perlen, so doch mit zeitgemäßen, geldwerten Versorgungswohltaten zu kaufen - haben sie doch selbst zugelassen (oder dafür gesorgt?), dass Bildung und Urteilsgkaft nicht überhand nehmen.

Die fehlende Vermittelbarkeit hat drei Haupt-Ursachen
  1. Die Zusammenhänge sind tatsächlich so komplex, dass sie kaum verstanden werden können - was in Teilbereichen und im globalen Zusammenhang sicher auch stimmt. Damit werden Sachverhalte (zunehmend) nicht oder nur noch dann vermittelbar, wenn Politiker und Wähler über mehr Sachverstand und damit mehr Urteilskraft verfügen.

  2. Die Vermittler - hier die Politiker - verstehen die zu vermittelnden Botschaften selbst nicht und können die Inhalte folglich dem Bürger nicht erklären. Flucht in eingängige Worthülsen, Klischees und zweifelhafte Vergleiche sind die Folge.

  3. Die meisten Wähler, um die gebuhlt wird, sind per se heillos überfordert, sachorientiert zu wählen, weil es ihnen an Wissen und folglich an Urteilskraft fehlt. Und das, obwohl alle notwendigen Informationen verfügbar sind - über Internet und in gedruckter Form. Mehr geht nicht.
Was bleibt

Eine Wissensgesellschaft ohne Wissende, der Wähler als uninformierter, emotionsgesteuerter, an seinen höchstpersönlichen, meist materiellen Interessen sich orientierender Egomane, der mit seiner Stimme seine kleine Welt in ein System hinein projiziert, dessen Manager - Politiker genannt - sich bitteschön erfolgreich im Sinne der persönliche Ertwartungen jedes Einzelwählers durch die Kraftfelder einer globalisierten Gesellschaft hangeln sollen - unausweichlich vergeblich.

Schlussfolgerung

Eine sich im globalen Wissenswettbewerb befindende Gesellschaft kann nicht dauerhaft erfolgreich sein, wenn ihre Politiker von mehrheitlich in der Sache nicht urteilsfähigen, weil uninformierten Wählerstimmen bestimmt werden, weil nicht die besten Sachwalter sondern die besten Selbstdarsteller das Ruder des Gestaltens zugewählt bekommen.

Vorschlag

Ich bin für Demokratie, deren Wahlrecht die Wählerstimme mit dem Bildungsstand gewichtet, etwa so:


  • Jeder Bürger im wahlberechtigten Alter hat 1 Stimme.

  • Jeder Bürger mit qualifiziert abgeschlossener Realschule oder vergleichbar hat 2 Stimmen.

  • Jeder Bürger mit Abitur oder vergleichbar hat 3 Stimmen.

  • Jeder Bürger mit akademischem oder vergleichbarem Abschluss hat 4 Stimmen.
Chance

Damit würde die heute geltende reine Quantität mit bildungsverursacht höherer Urteilskraft gewichtet.
Wissen und Können bekämen einen angemessenen Stellenwert und die Chance stiege, dass Politiker gezwungen würden, nicht die reine Anzahl der Köpfe, sondern die qualifizierteren Stimmenträger zu gewinnen.

Und das Land hätte die Chance auf eine bessere Politik und die Bürger Aussicht auf einen Lebensraum, den die besten Köpfe an der Sache orientiert zukuntsfähig machen und sich nicht weiterhin die Gierigsten und Machthungrigsten ungestraft unseres Gemeinwesens bemächtigen.

Sonntag, September 11, 2005

Zustand der deutschen Gesellschaft

Eine kulturell und sozial hochentwickelte Gemeinschaft kann nur bestehen, wenn das Gesellschaftsmodell den Bürgern als Handlungsrahmen Freiheit bietet, Eigenverantwortung und Leistungswillen fordert und Gemeinsinn fördert. Die Finanzierung kultureller, sozialer und anderer Gemeinschaftsaufgaben kann dauerhaft nur erfolgen, wenn die Gesellschaft Rahmenbedingungen für eine florierende Wirtschaft sichert. So hat Deutschland 1948 begonnen, um heute in einem Prozess abnehmenden Reichtums weitgehend handlungsunfähig fest zu stecken.
Wie lange noch?

Unsere Gesellschaft ist in den knapp 60 Jahren seit Gründung mit zunehmendem materiellen Überfluss vom Ursprungs-Modell der sozialen Marktwirtschaft abgeglitten in eine sozialistisches Gebilde, was die Haltung der Bürger zu ihrem Gemeinwesen nachhaltig beeinflußt hat. Die Leistungsbereitschaft als konstruktives Element unserer Gesellschaft in der Aufbauphase ist einer Anspruchhaltung in der heutigen, konsumorientierten, gewichen. Die Begriffe Demokratie und Freiheit sind in der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung zwar Sprachschatz, werden aber weitgehend materiell belegt und als pflichtenfreie Grundrechte verstanden. Die Rechte sind sozialisiert, die Erfüllung von Pflichten sind dem Staat auferlegt, der nicht als Organisationsform der Bürger, sondern als neben ihnen stehende Dimension eigener Art wahrgenommen wird.

Das hat gravierende Folgen für die Sicherung der Zukunft unseres Gemeinwesens:
Grundlage sozialer Gerechtigkeit ist Chancengleichheit. Wir verwechseln aber dabei das Recht auf gleiche Start-Chancen mit dem Recht auf gleichzeitigen Ziel-Einlauf. Wer schneller läuft, weil talentierter, engagierter, fleißiger, wird gedrosselt. Die gesellschaftliche Orientierung ist folglich nicht nach vorn oder oben sondern auf das Mittelmaß gerichtet.


Wir haben die ureigenste, persönliche Aufgabe, unser Leben zu meistern, Institutionen übertragen und haben so unsere Freiheit gegen Versorgtsein getauscht um den Preis der Fähigkeit, situationsorientiert, also erkenntnisbezogen zu handeln und so aus eigener Kraft zu leben.

Es ist keine Tragödie, wirtschaftlich abzusacken und in der Bildung zurückzufallen - tödlich ist es aber, dass wir nur noch diagnose- aber nicht mehr regenerationsfähig sind; wir erkennen die Mängel, beherrschen die Methoden ihrer Behebung, behindern uns aber gegenseitig in ihrer Anwendung.

Dieser Zustand hält an,
....so lange Parteien, Politiker und Funktionäre Machterhalt bzw. Machtgewinnung als übergeordnetes Ziel anstreben, und die Sorge um das Gemeinwohl nur als Alibi missbrauchen;
....so lange Politik nicht die Kraft findet, das engmaschige Netz aus Gesetzen, Verordnungen und Regelungen gegen die Widerstände von Interessenvertretern und Behörden auf ein lebensbejahendes Maß zu lichten, Risiko als unvermeidlichen Teil des Lebens akzeptiert und den Bürgern Freiräume für Eigen-Intitiative, Gestaltung und Eigen-Verantwortung zurück gibt;
....so lange Beamte Exekutive und Legislative beherrschen und unser Land verwalten und nicht gestalten, weil Sicherung des Bestandes - nicht das Leben mit Chancen und Risiken - das Wesensmerkmal von Beamtentum ist;
....so lange ein unübersehbares Funktionärswesen als Ausdruck von Gruppeninteressen egoistische Positionen ohne Rücksicht auf das Gesamte machtvoll und über politische Einflussnahme erfolgreich sichert;
...so lange Unternehmen zunehmend von angestellten Managern unter dem Gesichtspunkt der absoluten Gewinnmaximierung technokratisch gestaltet werden, die Mitarbeiter in erster Linie als Kostenverursacher und nicht als Leistungsträger wahrnehmen;
....so lange wir Arbeitsmarktpolitik betreiben statt Wirtschaftspolitik und dabei Gewerkschaften und Sozialpolitikern die Gestaltung der Rahmenbedingungen für Wirtschaft überlassen - so falsch wie Brückenbau nach künstlerischen statt nach statischen Gesichtspunkten;
....so lange die Medien hinter dem Schutzschild der Pressefreiheit verantwortungslos alles verbreiten, was Auflagen und Einschaltquoten sicherstellt;
....so lange unsere Bildungssysteme Begabungen nivellieren, weil Elite als Ausdruck für die Besten stigmatisiert ist und Orientierung nach unten in falsch verstandener 'sozialer Gerechtigkeit' gefördert wird;
....so lange wir fortfahren unsere gesamte Bevölkerung zu versorgen und ihr vermitteln, dass sie ihre Existenzrisiken bei Sozialversicherungs-Systemen parken kann und der Einzelne die Folgen seines Handelns oder Unterlassens nicht mehr selbst tragen muss;

....
so lange also machtorientierte Politiker, verwaltende Beamtenmentalität, bestandssichernde Funktionäre, verantwortungslose Medien und ein rundumversorgtes Volk die Wesensmerkmale unseres Staatswesens sind, wirtschaftliches Handeln unter dem Primat der Wahrnehmung sozialer Aufgaben steht und Erfolg durch die Gesellschaft nicht primär als erfreuliches Ereignis wahrgenommen wird, sondern als Gelegenheit, Neid zu fördern und Früchte umzuverteilen - so lange wird sich nichts bewegen.


Ich sehe unsere Gesellschaft ernsthaft an Degeneration erkrankt.