Freitag, März 30, 2012

Die Schere im Kopf der Medien

Ich bin wirklich entsetzt über unsere Medien im Zusammenhang mit der gescheiterten Auffanggesellschaft für die Schleckerbeschäftigten.

Anstatt sich die Frage zu stellen, ob die FDP nicht möglicherweise die einzige Partei ist, die richtig gehandelt hat, wird bis hin zur Tagesschau völlig undifferenziert festgestellt, dass die FDP nur im Überlebenskampf um sich beißend entschieden habe.

Natürlich falsch entschieden. Die Frage, was sachlich richtig ist, stellt sich niemand. Um wieviel schlechter stehen denn die Schleckerfrauen ohne die Auffanggesellschaft da? Haben Sie das irgendwo gelesen oder gehört? Aber ein Urteil haben alle schnell zur Hand: Die FDP ist böse und schuldig.  

Wie beschränkt, wie dümmlich, wie wohlfeil, wie verdummend!

Zu viele Medienfuzzis reden über Wirtschaft, ohne auch nur das Geringste davon zu verstehen.

Mitleid ist eine positive, menschliche Eigenschaft. Bei dem Gebrauch des Mitleidsbegriffes gegenüber Menschen, die man nicht kennt, lege ich aber die Ohren an, anders, als bei persönlicher Betrfoffenheit. Frau D., die ich kenne, ist eine Schleckerfrau. Ich kenne ihren Hintergrund. Sie tut mir leid. Ich kann aber nicht sagen, alle Schleckerfrauen tun mir leid. Mitleid fordert eigenes, aktives Handeln. Zu verkünden, dass man Mitleid hat, genügt eben so wenig, wie die Erwartung, dass andere sich darum kümmern. Z.B. der Staat.

Alle die jetzt voller Mitleid für Schlecker-Frauen sind, und daher eine Auffanggesellschaft fordern, sollten in viel höherem Maß mit den Frauen und Kind-Mädchen Mitleid haben, die die Klamotten als Sklaven zusammen nähen, die sie hier bei KIK, H&M, ZARA u.s.w. kaufen und das zeigen, indem sie nicht dort kaufen, weil's billig ist. Da passt tätiges Mitleid hin.

Mitleid als Parameter für wirtschaftliches Handeln ist ganz schlicht einfach sachlich falsch.

Und dennoch gehen wir mit den ganz sachlichen Regeln der Wirtschaft so um, als müssten sie sich mit einem Mitleidsmasstab messen lassen. Und jeder redet mit und nur wenige verstehen was davon. Zumal in den Massenmedien, wo es um Sensation geht, nicht um Fakten. Das ist so, als bauten wir Brücken nicht mehr nach statischen Gesetzen sondern nur noch nach ästhetischen, weil die besser gefallen. Um uns dann zu wundern, dass die schönen Brücken nicht tragen.

Warum hinterfragt niemand im öffentlichen Raum, ob die Auffanggesellschaft überhaupt sinnvoll und nötig ist? Warum fragt sich die Öffentlichkeit nicht, ob diese Art staatlich garantierter Beschäftigungsprogramme nicht die Richtung in ein Staatswirtschaftssystem führt?

Wollen wir, dass ein Funktionärs-System unsere Wirtschaft steuert - denn das wäre die Folge. Wollen wir Einfallsreichtum, gestaltendes Handeln und Initiative einem Heer von Beamten übertragen, die im Regelwerk nachschlagen, was sein darf und was nicht? Wollen wir das wirklich?  Das ist der Preis für Beschäftigungsgarantien für jeden.

Leben ohne Risiko ist wünschenswert, aber utopisch! Lass uns diese Utopie nicht anstreben, sondern lernen, mit den verbliebenen Restrisiken zu leben. Jeder Einzelne in seinem Wirkungsbereich. Wenn dem Staat - der uns als allumfassendes Regelwerk für jede Lebenssituation und gemanged durch Funktionäre gegenüber tritt - ist der Einzelne und sein persönliches Streben und Wollen unwichtig. Der Staat hat naheliegender weise nur das Gesamte im Blick. 

Ich will das nicht - das wäre auch für unseren Wohlstand und unsere Freiheit absolut tödlich.

Aber diese Staatsphilosophie steckt hinter der vordergründigen Menschenfreundlichkeit einer Auffanggesellschaft für Schlecker, dem Gedanken der Gerechtigkeit, der derzeit den Zeitgeist bestimmt. Gerecht ist, wenn alle gleich sind - bis auf die Funktionäre natürlich.

Gleichheit (Gleichwertigkeit nicht Gleichmacherei) - Brüderlichkeit (Solidarität gegenüber dem Gemeinwesen) - Freiheit (wofür, nicht wovon).

Wenn dieser Dreiklang zugunsten eines der drei Elemente kippt, gibt es Probleme und das ist immer dann der Fall, wenn es in einer Demokratie den Vertretern einer Überzeugung gelingt, die nicht denkende Mehrheit für sich zu gewinnen und damit die Ausgewogenheit zu gefährden.

Erinnern sie sich der Liberalisierung der Finanzmärkte durch die SPD-/Grüne-Regierung unter Schröder, wodurch sich das Gewicht zu Gunsten der wirtschaftlichen Freiheit verschoben hat? Mit den bekannten Folgen. (Ironie der Geschichte: Der FDP wird unter dem Schlagwort Neoliberalismus erbarmungslos die Schuld an diesem Desaster untergeschoben und zwar vornehmlich von denen, die es angerichtet haben. Das nennt man Politik.)

Eine gleichermaßen bedrohliche Verschiebung scheint mir gerade im Gange, weil die Gerechtigkeitsdebatte unter dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit, wie sie derzeit dominierend geführt wird, den Grundwert der Gleichheit einseitig interpretiert. Hinterfragen wäre angesagt.

Aber ich fürchte, dass  unsere Presse bei aller Vielfalt schon deshalb nicht mehr frei ist, kritische Fragen zu stellen, weil sie ihre Freiheit inzwischen auch der Einschalt- und Auflagenquote geopfert hat und nur noch den Mainstream gefällig nachplappert.

Kommt hinzu, dass anders denken tödlich geworden ist - für Politiker und Meinungsmacher. Wer den Kopf raus streckt beschädigt die Gleichheit des Denkens und alle anderen fühlen sich berechtigt - manchmal hat man den Eindruck in unversöhnlichem, gemeinsamem Gesinnungsfeldzug -, ihn wieder gleich zu machen. Unifomität und Denkkonsens scheint zunehmend Wesensmerkmal unserer Gesellschaft.

Auflagenschere im Kopf, denken verboten. Hat diktatorische Züge. Meinungsdiktatur, könnte man sagen.

Ich bin wirklich entsetzt und besorgt.

Donnerstag, März 29, 2012

Schlecker

Was machen die anderen Parteien bloß ohne die FDP, der man heute so schön den Schwarze Peter für alles in die Hände drücken kann! Wer ist Schuld an der geplatzten Auffanggesellschaft für die Schlecker-Beschäftigten, die alle so gerne hätten? 
Natürlich die FDP, die unmenschliche, die neoliberale!

Und so macht man das:

Es geht um 11.000 Arbeitsplätze. Gewerkschaftsfunktionäre, die LINKE und Medien drücken auf die  Tränendrüse, indem sie eine brave, verheulte Frau in Szene setzen, deren Leben zusammen bricht und fordern Maßnahmen, die gut klingen, sie im Licht der Helfenden erscheinen lassen, aber Unsinn sind, was sie durchaus wissen: Sie fordern eine Auffanggesellschaft und Qualifizierungsmaßnahmen für die Schleckermitarbeiterinnen. Aber sie müssen ja ohnehin nicht handeln, denn sie sind ja nicht die Regierung. 

Die genannten Initiatoren sind die Trittbrettfahrer der Schleckerpleite. Sie ergreifen die Chance, sich sympathisch zu machen. Um die Schleckerbeschäftigten geht es dabei weder der Gewerkschaft noch der LINKEN - es geht um politische Stimmungsmache, um Kalkül auf der politischen Bühne und die Mitarbeiterinnen sind die Spielkarten.


Die so aufgebaute und durch Wiederholung zunehmend verstärkte Stimmung setzt die Politiker der regierenden Parteien unter Druck, die von Gewerkschafsseite ins Spiel gebrachte Auffanggesellschaft ernsthaft zu diskutieren, die den Beschäftigten ein halbes Jahr 3/4 ihrer Löhne sichern und sie qulifizieren sollen. (Wozu qualifizieren? Aus gestandenen Hausfrauen, die im Niedriglohnbereich und oft halbtags tätig waren, macht niemand in einem 1/2 Jahr qualifizierte Arnbeitskräfte für einem anderen Job fit, als dem, den sie inne hatten und den sie sicherlich gut gemacht haben. Dafür sind die fitter, als sie eine Qualifizierungsgesellschaft je machen könnte.)

Kostenpunkt irgendwo bei 70 Millionen € Steuergelder.

Angesichts anstehender Wahlen lassen Politiker sich bekanntlich gerne jede langfristige Vernunft zugunsten erhoffter kurzfristiger Effekte außer acht. Das war die Hoffnung der Initiatoren, die, hätte die Politik nachgegeben, dann das Ergebnis als Triumpf der Menschlichkeit auf ihre Fahnen geheftet hätten.

Nun ist der deal geplatzt.  

Es waren die von der FDP mitregierten Länder Sachsen und Niedersachsen, die Rückrat genug bewiesen, die Schleckerauffang-Gesellschaft zu verhindern. Unverzüglich kamen die wohlfeilen Vorwürfe an die herzlose, dem Neoliberalismus verpflichtete FDP über den Bildschirm geflimmert und wird von meiner erblindeten Tageszeitung unterstrichen. Und Herr Söder, Bayerischer Wirtrschaftsminiter, stimmt - sich selbst aus der Verantwortung stehlend - mit ein: Der Koalitionspartner, die FDP, hat sich verweigert...

Dass Wirtschaftswissenschaftler sachlich völlig zu Recht darauf hinweisen, dass eine solche Auffanggesellschaft unser auf Wettbewerb basierendes Wirtschaftssystem unterläuft und im übrigen genau für diese Situation, die bei Schlecker eingetreten ist, das Arbeitslosengeld existiert und die ARGE(n) als Instrument erfunden wurden, um die Qualifizierungsaufgabe zu erfüllen - ihr täglich Brot - geht unter, weil sachliche Beurteilung hier jetzt nicht gewünscht ist.

Übrigens:
Zufällig steht heute in der Zeitung, dass gestern die Bahner-Grupe, Augsburg, Insolvenz angemeldet hat - der Öffentlichkeit durch die Schuhmarke Leiser bekannt. Es handelt sich um 1.400 Arbeitsplätze.
Soll, wenn es nötig wird, da auch eine Auffanggesellschaft gegründet werden? Oder wird die kritische Wählerstimmenmenge da noch nicht erreicht, um politischen Druck aufbauen zu können?
Und was ist mit den ca. 150 Pleiten kleiner und kleinster Unternehmen, die tagtäglich stattfinden? Das sind insgesamt mindestens 40 - 60.000 Arbeitsplatzverluste im Jahr.
Wählerstimmenmäßig irrelevant, weil Kleinereignisse, werden die Generalsekretäre der Parteien denken - aber natürlich nur denken, nie sagen!

Samstag, März 24, 2012

Guttenberg - kennst Du den noch?

Kennst Du jemanden, der sich noch daran erinnert, dass wir einmal einen jungen Politiker hatten, der - mit guten Manieren präsentabel, zupackend mit neuem Stil, nicht aus der Kaste der Politikfunktionäre und dem Parteiapparat kommend, also geschliffen, ohne abgeschliffen zu sein - in kritischer Situation als Wirtschaftsminister eingesprungen die Opelkrise in erfrischendem Stil erfolgreich entschärft hat?

Der dann das nächste heiße Eisen anpackte und als Minister der Verteidigung die längst überfällige und immer in die nächste Legislaturperiode weitergereichte Bundeswehrreform anpackte und unter Applaus der Medien Pläne dazu vorlegte, konkrete Schritte einleitete und sich mit der eingeigelten, verbeamteten Führungsriege im Verteidigungsministerium anlegte?


Ja, ein wenig nassforsch kam er rüber, etwas zu selbstsicher und medienorientiert. Das Gel in den Haaren gefiel nur bedingt, seine Herkunft und die wirtschaftliche Unabhängigkeit diente den mehrheitlich linkslastigen Medienmachern von Anbeginn zu versteckten Nadelstichen.

Dennoch:
Er bekam damals viel Lob, wurde von den einen schon als denkbarer Kanzleraspirant hochgejubelt, von den anderen als längst erwarteter Gegenspieler des unsympathischen Markus Söder begrüßt, bis dato unangefochtener CSU-Politstar aus Nürnberg und ungefährdeter Nachfolgeaspirant des wankelmütigen Bayerischen Landesvaters Horst Seehofer.

Er hieß - namensrechtlich korrekt - Dr. Karl-Theodor von und zu Guttenberg - und das wurde sein Verhängnis.

Nein,
wirst Du einwenden, sein Verhängnis ist sein erschlichener Dr.-Titel und die Ungeschicklichkeit, mit der Aufdeckung umzugehen. Stimmt! Und von mir kommt keine Verharmlosung, keine Entschuldigung, kein Kleinreden, kein Verständnis. Nein, sein Verhalten geht nicht, ist unentschuldbar. Das gilt auch dann, wenn heutzutage eine Inflation und gewisse Laxheit bei der Vergabe von Dr.-Titeln eingerissen sein mag.

Und der Versuch des Vertuschens und des sich Klammerns war blamabel. Ich erlebte ein unangenehmes Gefühl des Fremdschämens für seinen Umgang mit der Entdeckung. Mich schaudert noch immer.


Ich kann mich aber dennoch des Verdachts nicht erwehren, dass der Angriff und die erbarmungslose Verfolgung nicht stattgefunden hätte, wenn er Dr. Georg Meier geheißen und nicht so herausragend erfolgreich nur so zwischen den Parlamentariern gesessen hätte, denn angesichts des laxen Umgangs mit dem Erteilen von Dr.-Titeln bin ich sicher, dass noch so mancher das Ansehen des Titels in der Öffentlichkeit auslebt, ohne dass die zugrunde liegende Leistung seinem eigenen Kopf entsprungen ist.


Rückblickend fällt auf
, dass die erbarmungslosen Plagiatjäger - selbsternannte Gerechte, die ihr Tun als höheren Werten verpflichtet begründen - bisher Guttenberg (CSU), Jorgo Chatzimarkakis (FDP), Silvana Koch-Merin (FDP), Margarita Mathiopoulos (FDP), Daniel Volk (FDP) und beide Kinder von Edmund Stoiber (CSU) "am Wickel" oder zu Fall gebracht haben. Ich habe nicht gehört, dass ein Politiker von der Linken oder von der SPD auf der Untersuchungsliste standen. Honi soit qui mal y pense.

[Und jetzt, so habe ich gehört, leiden die Betreiber der Veröffentlichungsplattform
VroniPlag Wiki unter Mangel an Jägern. Ziel erreicht? Feldzug siegreich beendet? Gerechtigkeit hergestellt? Kein öffentlicher Applaus mehr?]

Ich stelle ebenfalls rückblickend - und der Umgang im Zusammenhang mit Christioan Wulf hat das befördert - fest, dass sich meine Einstellung zu den Medien als Wächter der Freiheit, deutlich verändert hat.

Ich erinnere mich noch immer entsetzt der grauenhaften, unmenschlichen, hinterhältigen, das niedrigste im Menschen herauskehrenden, hämischen Art und Weise, wie unsere mediale Gesellschaft den Menschen Guttenberg geteert, gefedert, gepfählt, gevierteilt und letztlich geschreddert hat und anhaltend ohne Erbarmen verharrt in der Bereitschaft, das Auftauchen seines Namens zum Anlass zu nehmen, die verbliebene Reste unter Wasser zu drücken, bis er ertrunken ist - und wenn seine neue Frisur oder seine Herkunft dafür herhalten muss. Kein Mitgefühl, keine Menschlichkeit - nur selbstgerechte, bösartige, empathifreie Kälte. (Gleiches widerfährt nun auch Christian Wulf.)

Ein widerlicher Zug in unserer Gesellschaft ist die Neigung zu sentimental-bigotter Selbstgerechtigkeit - lustvoll benützt von den Medien. In diesem Klima fühlt sich jeder mittelmäßigen Medienfuzzi im Schutz der Pressefreiheit, jeder nach Bedeutung ringende blogger im Schutz der Anonymität seines Niknames in den Foren der Online-Medien berechtigt, den wehrlosen Mitmenschen hinzurichten, der mit dem Makel eines Fehlverhaltens gebrandmarkt ist und so den Frust über die eigene, bedeutungslose Mittelmäßigkeit auszuleben. Kotz!


Donnerstag, März 22, 2012

Wo sind die kritischen Intellektuellen?

Der giftigste politische Kabarettist scheint mir Volker Pispers mit seinem laufend aktualisierten Programm Bis neulich und ich finde ihn noch immer phantastisch - aber abnehmend. 

Im Laufe der Zeit ist mir klar geworden ist, dass die Riege der Kabarettisten in der ersten Reihe der Bekanntheit, die sich heute politisch und gesellschaftskritisch geben (neben Pispers auch z.B. Georg Schramm oder Urban Priol - wobei ich Hagen Rether ausdrücklich ausnehme) zunehmend auf dem Mainstream schwimmen, um Einschaltquoten und damit Einkommen zu generieren. Ihre eigenen, sicherlich deutlich überproportionalen Einkommen, das sie bei Anderen als unangemessen und Ausdruck von maßloser Gier ankreiden, seien ihnen gegönnt.

Für mich haben sie aber ihre Unschuld verloren, haben sich mit dem Ritt auf der Mainstreamwoge an den Kommerz verkauft, deren andere Nutznießer und dessen System sie - meist dem Zeitgeist kritiklos folgend derzeit linkslastig bis zum Klischee degeneriert - kritisieren.


Von guten politischen Kabarettisten erwarte ich den Vortrag eigener Gedanken, eigener Sichtweisen eigener Standpunkte, auch dann, wenn Gefahr droht. Die größte Gefahr, der sie heute ausgesetzt sind, ist wenig Applaus. Wahnsinnig gefährlich, politisches Kabaret heute! Wow, was für mutige Leute! 


Freigeister müssen sie sein - unabhängig und ihrer Überzeugung verpflichtet, nicht der großen Zahl der Claqueure. Vielleicht ist meine Erwartung falsch in einer Medienwelt, wo Einschaltquote und Auflage wichtig sind und der Gehalt der Botschaft untergeordnet - mag sein.

Wenn aber ein Matador der Kabaretbühnen sich
damit profiliert und darauf beschränkt, politische Ereignisse und gesellschaftliche Erscheinungen in die drastischen Worte zu packen, von denen er gewiss sein kann, dass sie bei seinem Publikum ankommen, dann ist er noch kein politischer Kabarettist, sondern ein Komödiant, ein Schauspieler, der dem Publikum nach dem Munde redet. 

Das erscheint mir wohlfeil bis billig. Das versucht jeder Politiker in der Öffentlichkeit auch, vielleicht nicht ganz so amüsant.

Wer, wie ich ursprünglich auch (inzwischen bin ich drüber weg), z.B. Neues aus der Anstalt oder Die Wochenshow im ZDF einschaltet, weiß, was kommt, und tut es im Zweifel, um seine Meinung - sozusagen professionell in die Form gebracht und vorgetragen, zu der man selbst nicht in der Lage ist - immer aufs Neue bestätigt zu finden.

Dabei wird gerne jeder Respekt vor den Opfern der Kritik, jede Humanität - für die einzutreten die Kritiker der unsozialen, also unmenschlichen Gesellschaft gerne für sich reklamieren - über Bord geworfen. Es wird verbal geklotzt, darauf kommt's an, das spricht den Sinn für Schadenfreude und Häme bei den Claqueuren an. Im Schutz der dabei in Anspruch genommene Narrenfreiheit. Auf den  Wahrheitsgehalt kommt es nicht so sehr an, wenn die Pointe Publikums-Effekt verspricht.

Nicht anders sehe ich inzwischen die Matadoren der Talk-Shows - angefangen beim mich enttäuschenden Günter Jauch über Beckmann, Maischberger, Will bis Illner. Unter dem Vorwand der Aktualität, mit dem Anspruch auf Meinungsführerschaft und getragen von der eigenen Bedeutung treiben sie die jeweils aktuellen Säue mainstreamkonform durchs Dorf - langweilig, wie die Beiträge der geladenen Politiker, die gezwungen sind, Parteitenor - verpackt in klischeehaft einstudierte Worthülsen - abzusondern. (Oder habst Du von Hern Blüm, Herrn Lauterbach, Herrn Geißler, oder wie sie alle heißen, in den letzten 5 Jahren was Neues gehört? Wenigstens ein paar Wortpassagen, die man nicht nicht kennt?
Eher hat man den Eindruck, sie übernachteten gegen ein kleines Entgelt als Zugriffsreserve im Sender.)

Hast Du was anderes gehört, als unisono draufhaun auf Guttenberg, Sarrazin, Westerwelle, die FDP, Wulff, die "Reichen", die Bänker? Irgendwo was Differenziertes bei den großen Multiplikatoren?


Wehe eine bis dato wegen ihrer Kompetenz anerkannte, bewunderte, hochgelobte Persönlichkeit schwächelt. Kaum hat man eine Verfehlung entdeckt, wird hemmungslos draufgekloppt - ohne Rücksicht, ohne wenigstens Reste von Humanität, als handle es sich um schon immer durch und durch verachtenswerte Zeitgenossen, auf die jeder ungestraft spucken darf. Es scheint um Volksbelustigung zu gehen, wie beim Fasching.


Ich fürchte, man würde sich um die Scheiterhaufen versammeln, wenn die nicht verboten wären - die Medien entfachen das Feuer, die Kabarettisten kippen den Sprit rein, die Comedian-Garde füllt die Pausen, um die Leute am Nachdenken zu hindern und Politiker würden sich fragen, wie sie das so artikulieren können, dass die Wähler das bei der nächsten Stimmabgabe honorieren.


Aktualität ist alles, Dabeisein unverzichtbar - Events sind in, egal, was geboten wird. 


Wenn die Welle abebbt, wenn das Ereignis (oder der menschliche Leichnam auf der Schlachtbank der Öffentlichkeit) ausgelutscht ist, bricht die Bedeutung des aufgeschäumten Ereignisses in sich zusammen, verschwindet im Vergessen, lässt ggf. zerstörte Menschen zurück. Manchmal kommt später hie und da etwas Nachdenklichkeit auf - selten genug, denn das nächste Medienereignis tobt über die Bildschirme und das Publikum tobt mit.


Bei Kabarettisten, Talkmastern und Politikern wünsche ich mir die Sichtbarkeit eigener Beobachtungen, Sichtweisen, Standpunkte, Interpretationen, Schlussfolgerungen, Empfehlungen - nicht geformt vom Mainstream und ihn bestätigend, sondern ihn hinterfragend. 


Denken muss nicht zwingend langweilig sein.

Für Kabarettisten galt einmal der Spruch, der Hermann Hesse zugeschrieben wird: Wer gegen den Strom schwimmt, kommt zur Quelle. Heute scheint der Leitspruch von Kabarettisten zu lauten: Wer mit dem Strom schwimmt, macht Kohle und darauf kommt's an


Und für guten Journalismus galt Abgewogenheit als Ausdruck der Erkenntnis, dass jede glitzernde Medaille eine andere Seite hat. Wo ist das geblieben? Weggespült vom Mainstream, der auch hier Auflagen sichert?

Ist der Medienphilosoph Richard David Precht der Einzige Denkende, der vortragen darf, der Presseklub der einzige öffentliche Medienraum mit Reichweite, in dem differenziert gedacht und argumentiert werden darf, ohne den Mainstream bedienen zu müssen? Sind sie die verbliebenen intellektuellen Feigenblätter der Medien?

Wo sind in unseren großen Medien die unabhängigen Intellektuellen? Bitte benennt sie mir und verschafft ihnen Raum, damit sie gehört werden. Es gibt sie, da bin ich sicher, aber wer differenziert denkt, ist nicht medienwirksam und damit unwichtig, nicht existent.


Anmerkung: Ich weiß wohl, dass 3SAT und ARTE und die Spartensender Vertiefendes und Differenziertes anbieten - aber bedeutet das automatisch, dass die Publikumssender flachhirnig handeln und die Mehrheit der Menschen von Nachdenklichkeit frei stellen müssen?