Sonntag, September 14, 2008

Wie doof sind wir eigentlich?

Sie mailen über google, hotmail, yahoo, web, gmx?

Wenn Sie das direkt über ihren Browser tun, ist die Anmeldemaske unweigerlich eingebettet in Werbe- und News-Botschaften, die um Ihre Aufmerksamkeit buhlen. Teaser – man könnte sie mit der Gaumenproben der attraktiven Promoterin im Supermarkt vergleichen, die Sie mit einem Käse-Häppchen zum Kauf verführen soll – Teaser, gerne Horrormeldungen oder halbnackte Busenschönheiten, meist aber das Versprechen, etwas umsonst erwerben zu können, sollen uns verführen zu verharren und in die weiterführende Tiefe zu klicken.

News-Feeds sollen wir als festen Bestandteil in unser Bildschirm-Bestands-Reservoir einbauen. Immer informiert – immer am Puls des (un-)wesentlichen Weltgeschehens, dargestellt am Leben von C-Promis.

Ich persönlich empfinde das als beleidigend.

Unterstellt man mir doch den Entwicklungsstand eines debilen Sechsjährigen mit überbordender Libido, dessen Weltbild von der Vorstellung geprägt ist, dass lüsterne, mandeläugige, allzeit willfährige Jungfrauen darauf warten, ihn zu verwöhnen und kostenlos mit allem zu überschütten, was die Werbung so an Konsumträumen implantiert hat.

Nun denn, man kann sich ja - zumindest bei web - davon weitgehend durch Mitgliedschaft im Club freikaufen - ich zahle gerne die 5 EUR im Monat für den werbefreien Eingang; die Werbemails kann man ja gleich in den Papierkorb umleiten.

Aber Aufmachung und Teaser auf den login-Seiten der Mail-Provider pflegen ihr von mir als beleidigend empfundenes Auftreten sorgfältig und aufwändig weiterhin. Offensichtlich bewährt es sich, erfreut sich wachsender Beliebtheit und ich neige seit dieser Erkenntnis dazu, meine Achtung vor meinen Mitbürgern zu überdenken!

Man weiß ja schließlich, dass diese Mail-Provider den kostenlosen Mail-Service über den Verkauf von Werbeflächen finanzieren. Das Geschäftsmodell klappt nur, wenn die Werbe-Teaser häufig, also von ganz, ganz vielen Mail-Kunden angeklickt werden. Es muss also ganz ganz viele user geben, die eben zu jener Gruppe gehören, der mich zuzurechnen ich oben als beleidigend empört zurück gewiesen habe.

Aber irgendwie frage ich mich seither, wenn ich so durch die Stadt oder durch einen Einkaufstempel schlendere, ob die, die mich da umgeben, meine Mitmenschen, denn so sind, wie es die Mail-Portale unterstellen?

Ich fürchte: Ja, in der Mehrheit....

Donnerstag, Mai 29, 2008

Deutschland - ein sozialistischer Staat

Wie es dazu kam und wo das hinführt.

Heute lese ich in meiner Tageszeitung unter der Überschrift Solidarität statt Sozialabbau folgendes Statement zweier Sozialverbände: Die durch Reformen ins Sozialsystem gerissenen Lücken müssten immer häufiger durch Privatvorsorge geschlossen werden. Dies sei "ein Irrweg", sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer in Berlin.

Als unser Staatswesen sich aus den Trümmern des 2. Weltkrieges wieder aufraffte, war es für jedermann klar und als "Volkswissen" verankert, dass man vorsorgen muss und zwar jeder für sich, so gut er kann. Das begann für die Kinder mit dem Märchen von der Grille und der Ameise und war in Sprichworte gegossen wie Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not. Und wer sein Schiksal nicht in die Hände nimmt, darf nicht klagen.

Das war die selbstverständliche Grundeinstellung zum Leben.

Gleichzeitig war Deutschland eine Demokratie geworden und es kam auf die Anzahl der Stimmen der Bürger an.

Folglich haben die Politiker mit zunehmendem wirtschaftlichem Prosperieren und entsprechend sprudelnden Steuerquellen begonnen, sich durch Versorgungsversprechungen Stimmen zu kaufen.

Freibier zieht immer.

Und die Wirtschaft begann mit dem Angebot, auf Raten zu bezahlen. Lebe heute – bezahle morgen. Das war erst anrüchig und wurde dann gesellschaftsfähig. (Heute sind wohl 80 % aller neuen PKW geleast oder kreditfinanziert.)

Gleichzeitig wurde die soziale Absicherung perfektioniert: Auf dem Hintergrund des anscheinend naturgesetzlichen, vom Tun der Bürger losgelösten Wirtschaftswachstum, machten Funktionäre und Politiker es ihren Wählern bequem, sie zu wählen: Obwohl man nicht arbeitete wurden Feier-, Krankheits- und Urlaubstage vom Arbeitgeber bezahlt und für Urlaub und Weihnachten brauchte man auch nichts zurückzulegen, das zahlte er auch. Dadurch, dass der Eigenbeitrag vom Arbeitgeber direkt abgeführt wurde, wurde er nicht wahrgenommen.

Es entstand ein entscheidender Bruch im Grundverständnis der Ursachen von Wohlstand und Wohlergehen, denn der unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung war verschwunden.

Die Frage, wie es sein konnte, dass man im Jahr wochenlang nicht arbeiten musste, also nichts beitrug zum output, und trotzdem seinen Lohn bekam, als würde man arbeiten, stellte sich niemand - das war gesetzlich oder tarifvertraglich so geregelt und daher nicht Sache des Einzelnen.

Kündigungsschutz nach sozialem Status (nicht nach Leistung), Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung und jährlich steigende Löhne teilte den Menschen mit: Jedes Jahr geht’s besser, lebe heute, zahle morgen, da gibt’s wieder mehr Lohn und für Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter ist gesorgt - mach Dir keinen Kopf.

Und wer nicht so viel hatte, um den dynamisch als arm definierten Lebensstandard (dazu gehörte warme Wohnung, Strom und Wasser, Möbel inklusive Waschmaschine und Kühlschrank, Fernseher, Computer, Telefon, Kleidung und Nahrung) aus eigener Leistung zu finanzieren, bekam Stütze vom Staat auch dann, wenn er zwar arbeiten gekonnt hätte, aber nicht wollte, weil beispielsweise der angebotene Arbeitsplatz unzumutbar weit weg, der Ausbildung nicht entsprechend oder gar niedriger bezahlt war, als vorher.

Der Preis war der Verlust an Selbstbestimmung, denn alles wurde zunehmend geregelt, Funktionäre sorgten für uns. Das Bedürfnis nach Selbstbestimmung wurde in der Freizeit befriedigt.

  • Betriebswirtschaftliche Regeln schienen aufgehoben.
  • Ein modernes Paradies war erfunden.
  • Es firmiert unter "Soziale Errungenschaften".
  • Und es ist unantastbar, weil rechtlich und vertraglich abgesichert.

Zu Beginn unseres so erfolgreichen Aufbaus unseres Gemeinwesens nach dem Krieg - und da konnte die soziale Aufgabe auch noch geschultert werden - empfand jedermann selbstverständlich: Die Lebensaufgabe heißt, dass jeder sich nach Kräften bemüht, sein Leben aus eigener Kraft zu bewältigen. Das schließt für vernunftbegabte Wesen ein, dass man Vorsorge trifft, um den Risiken Krankheit und Alter gewachsen zu sein. Unterstützung durch die Gemeinschaft war für die gedacht, die dieser Aufgabe aus persönlichem Schiksal nicht gewachsen waren.

Heute ist die Erwartung, dass der Einzelne sich aus eigener Kraft erhalten können sollte, eine unzumutbare Vorstellung - neoliberal das Totschlagargument.

Wir haben gelernt und die meisten Bürger, die heute "im Saft stehen" kennen nichts anderes: Leben ist nicht mehr unsere Sache, das müssen die Funktionäre für uns tun. Sie müssen für einen Arbeitsplatz, eine angemessene Entlohnung - also eine, die für Hausfinanzierung, Auto, 6 Wochen Sonne dort, wo's schön ist auf der Welt bis hin zum Fitnesstudio reicht - , sorgen, die Vorsorge für Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter abdecken und mir einen kostenlosen Schuldenberater zur Verfügung stellen, wenn ich mich hoffnungslos verschuldet habe.

Moderner Sozialismus bedeutet Vergesellschaftung der Lebensaufgaben der Einzelnen - die Funktionäre haben das Sagen.

Zwingend und als Folge wird sich ein System entwickeln, in dem der Staat die Vorgänge nicht nur sichert, sondern plant - Planwirtschaft und hoheitliche Festlegung dessen, was es zu welchem Preis und welcher Menge für die Bürger gibt. Klingelts? Die DDR lässt schön grüßen und Oskar Lafontaine reibt sich schon mal die Hände.

Wie weit wir auf diesem Weg vorangekommen sind, zeigt die Auffassung im Eingangs-Statement und ich befürchte, sie findet deutlich gößere Zustimmung, als die Aufforderung an den Einzelnen, er müsse erst mal für sich selbst sorgen, bevor er sich versorgen läßt.

Das geht nicht gut - wetten?

Samstag, Mai 10, 2008

Die Billig-Spirale

Ich befinde mich gerade in einem Hotel, in dem die Nacht mit Abendessen bis zu 200 € kosten. Vor dem Hotel ein Wagenpark der Gäste von 50.000 € aufwärts. Es sind nicht die Ärmsten, die hier übernachten.
Ich beobachte, wie den Gästen beim Einchecken unter anderem ein Gutschein ans Herz gelegt wird: 10% Nachlass beim Besuch der Saline.
Die Saline verspricht sich offensichtlich Kunden, die nicht kommen, weil sie die Saline interessiert, sondern weil der Rabatt lockt. Selbst Menschen, die mit rollenden 50.000 € zur Übernachtung für 200 € vorfahren und in diesem Hotel absteigen, weil sie Niveau, Stil und Qualität suchen (?) und dafür viel Geld hinblättern, unterstellt dieses Angebot, über einen Rabatt käuflich zu sein.
Es fällt den Umworbenen offensichtlich nicht mehr auf, was ihnen unterstellt wird. So selbstverständlich scheint es schon zu sein, dass Rabatte uns motivieren.

Mich ärgert das.

Mir zu unterstellen, dass ich mit 10% Nachlass, also in diesem Fall mit 2 €, dazu gebracht werden könnte etwas zu tun, was ich nicht auch ohne diese 2 € getan hätte, weil es mich interessiert, oder dass ich wegen 2 € etwas tue, was mich an sich nicht intressiert, empfinde ich jedenfalls als beleidigend.
Erkennt niemand den darin verborgenen Verfall von Niveau, von Kultur, von Qualität? Ärgert sich niemand darüber, dass er mit „billig“ käuflich geworden ist?

Warum ich mich so aufrege – so schlimm sei das doch nun auch wieder nicht!

Doch, es ist noch schlimmer!

Schnäppchenjäger sind die Totengräber; Rabatte, Punkte, Sonderangebote spielen die Begräbnismusik; LIDL, ALDI, REAL, SATURN, MEDIA-MARKT, PRAKTIKER, KIK, also die Discounter und Factory-Outlet-Center, sind die Friedhöfe einer kultivierten Gesellschaft, die bisher davon gelebt hat, dass Kompetenz und Qualität ihr Markenzeichen waren.

Nein, ich rede nicht dem Elitären das Wort, nein, es geht mir nicht darum, dass ich es mir leisten kann, nicht auf den Preis zu schauen, ein Leben ohne Payback-Konto zu führen.
Auch ich schaue auf den Preis – aber erst auf die Qualität, denn sonst, so bilde ich mir ein, kann ich die Angemessenheit des Preises nicht würdigen.

Billig – und das ist die Katastrophe – ist als Begriff zur eindimensionalen Orientierung des Verhaltens einer Gesellschaft geworden. Ein Begriff, der alleine steht, bezugslos. Er ist sozusagen absolut, hat keine Entsprechung, steht außerhalb der Kritik, rechtfertigt sich in sich selbst.

Billig ist als solches schon gut und die Abwärtsspirale unserer Lebensform ist eingeläutet. Es scheint kein Halten mehr zu geben.

Das Kaufverhalten orientiert sich nicht mehr an der Frage, welche Ansprüche gestellt werden, welche Qualität erwarte wird, ja oft überhaupt nicht mehr daran, was gebraucht wird, sondern nur noch daran, wo es etwas billig gibt.

Wer billig als Orientierung akzeptiert, lässt zu, dass es auf die Qualität nicht mehr ankommt. Wem es nicht mehr auf Qualität ankommt, der verlernt es, Qualität zu erkennen. Wer Qualität nicht erkennen kann, kann sie nicht liefern.

Qualität ist aber eine, wenn nicht die aussagekräftigste Dimension für die Kultur einer Gesellschaft – auf allen Ebenen. Eine Gesellschaft, die die Orientierung an Qualität aufgibt, gibt sich selbst auf. Das umfasst Sitten und Gebräuche, Verhaltensweisen untereinander, die Kunst – schlichtweg: die ganze Lebensart.

Wer preiswert durch billig ersetzt, verzichtet auf Qualität als Maß des Preises und verliert in der Folge zwingend seine Urteilskraft.

Das hat gravierende Folgen für Alle und Alles.

Anbieter von Leistungen und Produkten nützen diesen Verlust an Qualitätsurteil, fördern und pflegen ihre Zielgruppe geschickt. LIDL, ALDI, SCHLECKER platzieren jeden Monat ein Sonnenöl, einen Computer, ein Speiseöl oder was immer mit Mindesturteil „gut“ bis „sehr gut“ in einer Testzeitschrift und liefen jedem Käufer, der billig sucht, sein Qualitätsargument frei Haus und damit die Rechtfertigung aller Einkäufe bei diesen Discountern. SATURN und MEDIAMARKT sponsern Preise für Einzelprodukte und bewerben sie massiv und legen sich das Pauschal-Image billig zu – dahinter wird kassiert in den unzähligen, oft weit überteuerten Standardprodukten.

Und wenn PRAKTIKER fast ununterbrochen 20% Rabatt gewährt, gibt es dafür 4 gut gemischte Zutaten:
  • Lieferanten werden erpresst (das ist so, ich weiß, wovon ich rede);
  • Qualität wird unsichtbar auf das unterste, gerade noch tragbare Level abgesenkt;
  • letztlich wird der Nachlass zunächst aufgeschlagen.
  • Alle anderen Produkte sind überteuert.
Oder denkt jemand, PRAKTIKER habe was zu verschenken oder die Telefongesellschaften lebten vom Verteilen kostenloser Handys?

Der Apell lautet kauf Dir einen Rabatt, erwirb ein Schnäppchen – wurscht, was es ist.

Unseren Schnäppchenpreis bezahlen Menschen in der Dritten Welt, die zu den Löhnen und weit darunter arbeiten müssen, die wir, die uns an billig orientieren, als menschenunwürdig bezeichnen.

Oder wie, glaubst Du, kann der Kinder-Jogginganzug bei KIK 4,80 € kosten, von dem der Baumwollbauer, die Spinnerei, die Weberei, die Färberei, die Schneiderei, der Importeur, der Reeder, der Spediteur, die Zentrale von Tengelmann (dazu gehört KIK) und letztlich KIK leben können wollen?

KIK & Co sind Verbrecher und wir Käufer ihre mörderischen Helfershelfer. So ist das!

Wir haben es bald geschafft: Wir werden kaufen, weil es billig ist ohne die Frage zu beantworten, ob wir das, was wir billig erwerben, überhaupt brauchen. Und der Qualitätsverlust wird nicht mehr wahrgenommen, weil wir die Qualität nicht mehr beurteilen können. Dafür gibt es endlose Beispiele - man denke nur an die Fleisch-"Qualität" in Supermärkten....

Ich warte auf den ersten, der mir mitteilt, er habe gerade einen Wahnsinns-Rabatt gekauft!

Ergebnis: Die Abwärts-Spirale ernährt sich selbst und die Käufer vernichten ihren eigenen Arbeitsplatz.

Wir, die Bürger der sogenannten westlichen Welt, wollen billig kaufen. Der Handel trägt dem Rechnung, treibt das Spiel virtuos weiter - und die produzierende Wirtschaft vor sich her.

Die Kaufentscheidung nach „billig“ erzeugt Lohndumping bis zum Arbeitsplatzverlust.

Die Billig-Mentalität hat zur Folge, dass unqualifizierte Menschen sich zunehmend nicht mehr aus Arbeitseinkommen ernähren können, weil sie keine Arbeit haben oder eben zu Löhnen arbeiten müssen, die zu denen tendieren, die dort bezahlt werden, wo KIK seine Kleidung nähen lässt.

Die kauft dann der Einkommensschwache mit dem Argument, dass er sparen müsse, wo er könne. Ihm kann man es nicht verübeln.


Wenn also der Bürger sozusagen die Preise für seine eigene Arbeit nicht bezahlen will und kann, vernichtet er die unqualifizierten Arbeitsplätze – die Arbeiter aber bleiben übrig.

Die Gewerkschaften steuern dem objektiv untragbaren Zustand durch Mindestlohnforderungen entgegen – nachvollziehbar bejubelt, weil so einsichtig.

Aber die Leistungen und Produkte würden damit zwingend teurer mit der Folge, dass sie im Schnäppchen- und Billig-Land vermutlich nicht mehr gekauft werden, denn der Abstand zu den Billiglohnländern wird nur größer.

Die Politiker treten mit Umverteilungsparolen an - das ist gut verkäuflich.

Aber wie viel Belastung vertragen die sogenannten Reichen und Besserverdiener angesichts der Tatsache noch, dass die 10% „Besserverdiener“ (alle über 75.000 € Jahres-einkommen) heute bereits 55 % des gesamten Einkommensteueraufkommens entrichten, die darunter liegenden 40 % weitere 40% einspeisen und die unteren 50% der Einkommensbezieher nur noch 5%? Wobei der Staat – alle anderen Steuern hinzu genommen - schon heute ca. 50% des Bruttosozialprodukts nimmt und neu verteilt.

Wie einsichtig und moralisch nachvollziehbar die beiden Lösungsansätze sein mögen: Beide lösen das gesellschaftliche Phänomen der Abwärtsspirale einer Billigmentalität nicht, denn es geht um das Bewusstsein und die Selbstachtung der Bürger und um ihr Verhältnis zum Gemeinwesen, zum Staat.

Was also, müssten wir tun, um das aufzuhalten?

Unsere Westliche Welt hat noch immer einen enormen Vorsprung an know-how auf vielen Feldern. Den Vorsprung zu halten, tunlichst auszubauen ist die Aufgabe – ja die einzige Chance, die unsere Gesellschaften haben. Das ist teuer – aus vielen Gründen aber schon offensichtlich aus den folgenden beiden Überlegungen heraus:
  • Die Verantwortlichen - Eltern, Unternehmen, Staat - müssen die nachrückenden Generationen so ausbilden, dass unser Vorsprung gehalten werden kann, wir müssen in Forschung und Entwicklung investieren, wir brauchen einen hohen technischen Innovationsgrad – das alles ist sehr teuer und langfristig – längerfristig als eine Wahlperiode.
    Stattdessen nimmt – weil der Staat kein Geld hat, einzugreifen und die Kulturhoheit Ländersache ist – bei abnehmender Geburtenzahl die Zahl der ungebildeten junger Menschen sprunghaft zu, leisten wir uns eine Jugendkultur, die von Orientierungslosigkeit und mangelnder Ausbildung gekennzeichnet chancenlos ein Eigenleben führt, weil wir beispielsweise kinderreichen Zuwanderern gestatten, ihre religiös-kulturellen Lebensformen in einer Umwelt zu leben, von der sie selbst überfordert sind und folglich erst recht dadurch, ihren Kindern Lebenshilfe und Chancen in dieser, deutschen Gesellschaft zu bieten.
  • Wir Bürger müssen Qualität als Maßstab unserer Leistungen im Wettbewerb hoch halten und kultivieren, denn nur so sind die Preise für unsere Leistungen in der Welt zu verkaufen, die wir benötigen für Ausbildung, Forschung, Entwicklung und wünschenswert hohe Entlohnung unserer qualifizierten Bürger.
    Stattdessen erheben wir billig zum Maßstab unserer Orientierung in unserem täglichen Leben – und zwar nicht nur der, der keine andere Möglichkeit hat, um zu überleben. Die meisten Kunden bei LIDL, ALDI und Co sind vernünftig verdienende Mittelständler, Oberstudienräte eingeschlossen, die ihre Prioritäten anders setzen: Billig einkaufen – dafür länger und weiter im Urlaub. Eine Gesellschaft, die in ihrem täglichen Leben auf die Pflege der erworbenen Kulturwerte – und die erfolgt über qualitative Sicherung der erreichten Standards – verzichtet und lieber Qualität gegen billig eintauscht, befindet sich auf dem falschen Weg.
Anspruchsloser und billiger, das können andere Gesellschaften, mit denen wir inzwischen im Wettbewerb stehen, besser.

Deshalb brauchen wir eine Trendwende hin zur Qualität.

Weg mit BILLIG, orientieren wir uns wieder an preiswert.

Alle, die die Wahl haben, weil sie Hirn genug haben und ein ausreichendes Einkommen, sollten Discounter, die mit „billig“ werben, meiden und sich an Qualität orientieren und nach preiswert kaufen.

Der Preis ist nicht so hoch, denn auch dann, wenn wir bei billig bleiben, unsere Ansprüche an Qualität vollständig vergessen haben und ganz unten angelangt sind, werden wir irgendwann feststellen, dass immer noch alles zu teuer ist,es aber nichts mehr von Qualität zu kaufen gibt.

Freitag, Mai 02, 2008

Ich bin der Trottel der Nation

Ich bin 72, Rentner, verheiratet 3 Kinder, 2 im Studium, ein Kind behindert. Ich war Alleinverdiener.

Und ich bin neuerdings ein moralisch äußerst suspekter Bürger, denn ich gehöre nicht zum Prekariat.

Als ich mein Berufsleben mit 29 nach abgeschlossenem Studium der Betriebswirtschaft begann, hatte ich keinerlei Vermögen und weder meine Frau noch ich haben in der Zwischenzeit Vermögen geerbt.

Ich habe immer als Angestellter gearbeitet, die letzten 30 Jahre erfolgreich als Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens. Das war nahezu bankrott, als ich die Geschäftsführung übernahm und ernährte 120 Beschäftigte, als ich ging.


Ich war nahezu durchgehend mit den jeweiligen Höchstbeiträgen Nettozahler in die Arbeitslosenversicherung, in die Rentenversicherung und selbst jetzt entrichte ich als Rentner noch immer wie zur aktiven Zeit den Familienhöchstbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung.

Gleichzeitig habe ich für den Zustand, in dem ich mich jetzt befinde, mein ganzes Berufsleben lang vorgesorgt und kontinuierlich Rücklagen so gebildet und angelegt, dass ich nun über ein kleines Vermögen verfüge. Die Folge meines Verhaltens ist, dass die ganze Familie auch jetzt, wo ich Rentner bin, ohne direkte staatliche Hilfe leben kann - der Lebensunterhalt für meinen behinderten Sohn und die Ausbildungskosten für meine Töchter eingeschlossen.

Ich habe
kein Vermögen im Ausland, ich habe keine Steuern hinterzogen und habe außer dem Kindergeld noch nie eine direkte staatliche Leistung bezogen.

Ich habe bisher geglaubt, wegen dieser Auffassung ein Idealbürger für unseren Staat zu sein, denn mein Verhalten ist, so dachte ich, gewünscht.

Dem ist auch durchaus so. Allerdings aus ganz anderen Gründen, als ich bisher naiv gedacht habe.

So sind die Auswirkungen meines Verhaltens tatsächlich durchaus erwünscht, aber nicht, wie ich zu erkennen beginne, weil ich erfolgreich versucht habe, mein Leben und das der Meinen aus eigener Kraft und ohne staatliche Unterstützung zu bewältigen, sondern weil ich mich damit ahnungslos zu den verlässlichen Dauer- und Hochleistungs-Melk-Kühen des Gemeinwesens in den Stall gestellt habe.

Denn wie alle meiner Spezies bin auch ich ein Auserwählter - auserwählt, um ungefragt tatkräftig für die soziale Gerechtigkeit zu sorgen.

Aber niemand anerkennt unsere bisher und laufend weiterhin erbrachten Leistungen für das Gemeinwesen, indem beispielsweise die Haltung von uns Melk-Kühen in den Medien als vorbildhaft hervorgehoben würde - im Gegenteil.

Denn dadurch, dass wir vorgesorgt haben, gehören wir neuerdings, wie ich allen Medien entnehmen kann, zu einer moralisch eher suspekten Gruppe der "Reichen", der "Besserverdiener".


Wir bilden unglücklicherweise eine wählerstimmen-statistisch zu vernachlässigende Gruppe und unser Gefühl, dass soziale Gerechtigkeit auch eine andere Seite hat, die Seite derer, die zunehmend in die Sozialkassen einzahlen müssen, ist daher keine Fußnote wert.

Bei mir erkennt man meine Zugehörigkeit zur „gierigen Elite“ zum Beispiel schon daran, dass ich mir die 1.000 € Zuzahlung zu meiner Hörhilfe leisten kann. 
So etwas ist – wenn man den Unterton der veröffentlichten Diskussion berücksichtigt – bereits anrüchig. Der arme Harz IV-Empfänger kann sich das nicht leisten - das ist sozial ungerecht.

Ich beobachte mit zunehmender Wut, dass Polit- und Verbandsfunktionäre zwecks Stimmenfang zum Machterhalt oder Machtgewinnung
Volksverhetzung betreiben. Sie suggerieren einer zunehmenden Anzahl von Bürgern - inzwischen sind das aufgerundet schon gegen 25% der Bevölkerung - , dass sie mit ihrem Leben unzufrieden sein sollten, auch wenn sie das bisher noch gar nicht gemerkt haben.

Da gibt es interessante Gruppen, aus deren Potential sich zur Wahl stehende Funktionäre der politischen Klasse Wähler-Stimmen ausrechnen. Täglich wird eine neue Gruppe entdeckt und als arm und daher versorgungsbedürftig auf den Markt geworfen:


Zum warm-up wird wahlweise mit den 346 EUR für den Harz IV-Empfänger (Wohngeld, Kindergeld, kostenlose Krankenversorgung werden unterschlagen), der Alleinerziehenden Mutter, der Krankenschwester oder den geringen Einkommen ungelernter Arbeitnehmer das soziale Gewissen angesprochen.

Unverdächtige Gruppen, die nur der Herzlose als ausreichend versorgt bezeichnen kann.

Ein sympathisches und glaubhaftes Musterexemplar wird dann plakativ vorgezeigt und dient der Verallgemeinerung. Das nennt man Konkretisieren, ein Fachbegriff aus der Manipulationsindustrie, um wirksamer begreiflich zu machen, worum es geht. (Betroffenheitsspezialistin ist Anne Will am Sonntag Abend - gerne auch Maybrit Illner oder Sandra Maischberger - also die einschaltquotenabhängigen unangreifbaren Meinungsmacher im Dienst von ARD und ZDF. Sie surfen auf der Woge der Zeitgeiströmungen, die sie selbst auftürmen.)

Dann werden die Rentner, (auch die, die gerade braungebrannt aus dem Winterquartier aus Mallorca zurück kommen), und damit ein gewaltiges Wählerpotential zitiert und bemitleidet, wobei untergeht, dass nur 2% unter der Armutsgrenze leben.

Und neuerdings die Gruppe der Facharbeiter, Büro-Angestellten oder Handwerker, heute Mittelstand genannt und selbstverständlich mit Anspruch auf 6 Wochen Urlaub in Spanien, Türkei oder den USA und eigenem Haus, das dereinst einen Verkehrswert von 300.000 € haben wird, wird gleich auch gezielt verängstigt.


Ich, Dein Gewerkschafts-, Polit-, Sozialverbands-Funktionär weiß mehr: Der Aufschwung ist an Dir vorbei gegangen, der Anstieg  der Arbeitslosenzahl um 1,2 Mio geht zu Lasten Deines Einkommens. Harz IV klopft bereits an Deine Tür. Wenn Du das bisher nicht fürchtest, wird es Zeit.

(Mir ist aufgefallen, dass Politiker, Funktionäre oder Beamte weder bei den armutsbedrohten Gruppen noch bei den Besserverdienern auftauchen - nur als Besserwisser? Das sind die Systemgewinner.)


Die so in den Zustand der Unzufriedenheit versetzten Betroffenen sind natürlich nicht schuld an der bedrohlichen Lage - sie sind Opfer. Schuld an der ungerechten Verteilung von Vermögen und Einkommen sind die Erfolgreichen.

Man zeigt auf die Heuschrecken, zitiert die Zumwinkels und die Ackermänner und suggeriert: Wer erfolgreich ist, ist gierig, ist unmoralisch. Besonders Banker.

Wer aus eigener Kraft sein Leben meistert ist schon mal verdächtig, sich zu Lasten der Armen bereichert zu haben.

Damit ist gerechtfertigt, all denen zu nehmen, die so viel haben, dass sie ohne staatliche Stütze leben können und unter den Ehrlichen und eben deshalb Armen zu verteilen.

Das ist sozial gerecht und christlich obendrein und daher moralisch.

Der Herstellung der sozialen Gerechtigkeit wird tatkräftig, unauffällig und kontinuierlich genüge getan. Ich nehme meine konkrete Erfahrung als Beispiel:


Ich habe in den vergangenen 30 Jahren den Höchstbeitrag in die gesetzliche Krankenversicherung eingezahlt. Meine Frau hat zu Gunsten der Familie - nicht zuletzt wegen unser behinderten Sohnes - auf die Ausübung ihres Berufes und damit auf ihr wirtschaftliche Selbstständigkeit verzichtet. (Sie ist Lehrerin, war verbeamtet, hatte ihren Beruf gerne ausgeführt und familienbedingt eher unfreiwillig aufgeben müssen.)

Fairer Weise habe ich nach meiner Verrentung Teile unseres selbst verdienten und angesparten Vermögens formal meiner Frau überschrieben. Folglich fällt nun ein Teil unseres Einkommens auf sie und ich habe entsprechend weniger.

Und prompt: Obwohl das Familieneinkommen unverändert gleich hoch ist, aber jetzt auf zwei Familienmitglieder verteilt, hat die Familie jetzt formal zwei Verdiener. Das bedeutet Wegfall der Familien-Kranken-Versicherungstarifes.

An Stelle des Familientarifes existieren nun 5 einzeln zu versichernde Krankenkassenmitglieder.

Die GKV erwartet nun statt der 616 € pro Monat – Pflegeversicherung und gesonderter Beitrag für die studierenden Töchter eingeschlossen – rund 1.382 €. (Übrigens: Meine staatliche Brutto-Rente nach fast berufslebenlanger Maximaleinzahlung beträgt derzeit 1.682 €. Jetzt weiß ich wenigstens, warum ich zwangsweise in die Rentenversicherung eingezahlt habe: Damit ich als Rentner genug habe, um die Gesetzliche Kranken-Versicherungs-Prämien auch wirklich bezahlen zu können.)

Wie glücklich doch der Harz IV-Empfänger. Seine Armut sichert seine moralische Integrität - neben mir, dem moralisch zweifelhafte Besserverdiener. Im Krankenbett bei gleicher medizinischer Versorgung, muss er doch weder für sich, noch für seine Frau und seine 3 Kinder Krankenversicherung bezahlen. Das macht unsereins und weiß doch: Computer mit Internet, Flachbildschirm, DVD-Player, Playstation und Handy sind unpfändbare Mindestausstattung - schon von wegen der sozialen Gerechtigkeit und unserer Armutsdefinition.... (Nachtrag 2011: Und nun soll diesen armen Menschen noch der Zuschuss für Alkohol und Zigaretten genommen werden! Wirklich sozial ungerecht!)

Irgendwann werde auch ich so gemolken werden, dass ich Sozialleistungen beantragen muss, weil ich den Lebensunterhalt für meinen Sohn (steuerlich absetzbare Aufwendungen im Jahr 1.800 EUR) oder die Ausbildung meiner Töchter nicht mehr aufbringen kann. Vielleicht sollte ich schon mal
Die LINKE wählen, denn die sorgt dafür, dass ich in Zukunft recht nett leben kann, ohne was dazu tun zu müssen. Auch meine Familie ernährt dann der Staat. Darauf haben dann endlich auch wir einen Rechtsanspruch.

Ich habe nicht gemerkt, was anderen Zeitgenossen, die zu Vermögen gekommen sind, offensichtlich nicht entgangen ist: Es hat eine Entwicklung unseres Gemeinwesens zu einem sozialistischen Gebilde stattgefunden und der, der sein Leben wirtschaftlich erfolgreich geführt hat, wird zum moralischen Verlierer.

Andere haben rechtzeitig erkannt, dass sie infolge der gesellschaftliche Entwicklung über kurz oder lang ohnehin als moralisch minderwertig eingestuft unter Applaus um die Früchte ihres Tuns gebracht werden würden und entzogen sich in selbsterhaltender Weise: Sie schafften ihr Vermögen ins Ausland und/oder flüchteten selbst frühzeitig hinterher.

Sie heißen
Michael Schuhmacher, Boris Becker oder Franz Beckenbauer und zählen zu den Promis, mit denen sich Politiker gerne schmücken oder Alois Müller von Müller-Milch und bilden damit die Spitze eines gewaltigen Eisbergs derer, die rechtzeitig erkannt haben, was in unserer Gesellschaft passiert.

Ich habe nichts dergleichen getan, zahle zunehmend mehr in den Verteilertopf, erhalte abnehmende Leistung und werde den moralisch zweifelhaften Besserverdienern zugerechnet, die, weil nicht geflüchtet, abgegriffen werden können.

Es lebe die soziale Gerechtigkeit und mir wird klar:

Ich bin der Trottel der Nation.