Donnerstag, November 12, 2015

Das Liebespaar oder die Integration von Muslimen.

Yahya Al-Aous , ein seit 3 Monaten hier lebender syrischer Journalist, der mit Frau und Tochter geflüchtet ist, beschreibt eine Begegnung mit der neuen Wirklichkeit in Form eines sich in der Öffentlichkeit küssenden Pärchens in der SZ vom 9.8.15 so:

Obwohl ich nicht aus einem besonders religiösen oder konservativen Umfeld stamme, so komme ich doch aus einer Gesellschaft, die Frauen als Bürger zweiter Klasse betrachtet und emanzipierte Mädchen, die sich weder von der Familie noch der Gesellschaft etwas vorschreiben lassen, Prostituierten gleichstellt. In Syrien wäre es nicht vorstellbar, dass eine Frau öffentlich küsst - auch nicht ihren Ehemann. Auf ihrem Schulweg wird meine Tochter noch weitere küssende Paare beobachten. Mir ist klar, dass ich sie davor nicht bewahren kann, und gleichzeitig will ich es auch nicht. Bewahren will ich sie nur davor, unsere alte Heimat Syrien ständig mit unserer neuen Realität Deutschland zu vergleichen.

Das ist m.E. ein aussagestarkes Beispiel für den langen, langen Weg, den selbst ein liberaler, gebildeter und nicht orthodoxer muslimischer Asylant gehen muss, bis er hier wirklich angekommen ist.

Genau daher glaube ich nicht an erfolgreiche Integration einer oder mehr Millionen Asylsuchenden in unsere offene, tolerante und freiheitliche, nach Gleichberechtigung strebende Gesellschaft.

Es ist nicht die Organisation von Geld, anständiger Unterbringung und Versorgung. Das zu bewältigen ist unsere Gesellschaft sicherlich in der Lage. Es sind vergleichsweise Kleinigkeiten. Vielleicht rechnet sich der aktuelle Aufwand a la longe auch tatsächlich. Aber das ist nicht das Wesentliche.

Das eigentliche, heute noch gar nicht angesprochene Thema lautet: Kulturelle Integration.

Da sind die Ankömmling aus muslimischem kulturellem Kontext absolut überfordert. Zumal dann, wenn sie konservativ, wenig gebildet und/oder aus ländlichen Gebieten kommen.

Trotz der Offensichtlichkeit und den Erfahrungen mit konservativen Muslimen laufen wir Gefahr, den Ankömmlingen Sehnsucht nach unserer Lebensweise und unserer Liberalität zu unterstellen und unsere Einschätzung der Situation und unser Handeln an dieser Erwartung auszurichten.

Realistisch wäre es aber, davon auszugehen, dass die Flüchtlinge im Prinzip ihre Wertvorstellungen und ihre Lebensweise weitestgehend unverändert fortsetzen wollen - nur eben in Sicherheit und Wohlstand. Das ist verständlich, denn sie kennen nur ihre Lebensweise und Wertvorstellungen.
Sie denken nicht wie wir, sie können unsere Art des Seins eben so wenig verstehen, wie wir nachempfinden können, wie eine Gesellschaft tickt und ihre Menschen empfinden, in denen Männer Frauen als untergeordnete Menschen zweiter Klasse wahrnehmen. Und das für völlig normal halten.
Und daher ist es falsch, die Integration durch unsere Brille zu beurteilen und mit dieser Unterstellung Erwartungen zu verbinden, die die Ankömmlinge nicht erfüllen können. Enttäuschte Erwartungen sind Sprengstoff für unsere Gesellschaft.

Zwei Selbsterfahrungen, die meinen Blick auf die anstehende Integrationsaufgabe geschult haben:

Die emotionale Kommunikation zwischen Deutschen, die in der DDR sozialisiert wurden, und Wessis ist trotz nur 40 Jahre Wirkung gesellschaftlich verschiedener Modelle, trotz gleicher Vorgeschichte, trotz gleicher Sprache nach 25 Jahren gelegentlich noch schwierig.

Um wieviel ‘unmöglicher’ ist es, mit Menschen, die unsere Sprache nicht sprechen und aus muslimischem Kulturraum kommen, eine Gemeinsamkeit zu erfühlen.

Ich habe drei Jahre in Spanien gearbeitet, sprach recht fließend Spanisch und habe versucht, mein Deutschsein auszubremsen, um mich nicht bei dem Versuch zu behindern, mich in die Spanische Lebensart fallen zu lassen.

Nach den drei Jahren kannte ich Sitten und Gebräuche, lebte den spanischen Rhytmus, war in die Gesellschaft eingetaucht bis zu dem Grad, dass Südspanier, die ich am Tresen einer Tapas-Kneipe kennen lernte, in mir wegen meines Dialektes den Basken vermuteten.
Und in gleichem Maße, in dem mir gelungen schien, Spanier zu sein, wurde ich mir bewusst, dass es mir auch in 20 Jahren nicht gelingen würde, wirklich Spanier zu werden.

Es fehlt das tragende Element: das unbewusste, nicht definierte, nicht ausgesprochene Etwas, das jeder von der Geburt an aufnimmt in Form von Geräuschen, Klima, Farben, Gerüchen, später die Formen des innerfamiliären, dann des nachbarschaftlichen zwischenmenschlichen Umgangs, der befähigt, Mimik, Gesten und Zwischentöne zu deuten. Es sind diese ungeschriebenen, meist unbewussten Elemente, die Zugehörigkeit ausmachen, die dem Zusammenleben und Verstehen zugrunde liegen.

Spanien und Deutschland, eingebettet in 2000jährige europäische Geschichte und dennoch sind die Unterschiede der kulturell-emotionalen Begegnung unübersehbar.

Und nun treffen Menschen aus dem vorderasiatischen, muslimisch geprägten Kulturraum bei uns auf eine klimatisch, geschichtlich und insbesondere religiös - fast könnte man sagen: ‘gegenläufig’ geprägte Gesellschaft, die in blutigen, sich in über Jahrhunderte hinziehenden Kriegen die Trennung von Kirche und Staat erkämpft hat, die in der Gleichstelling aller Bürger unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft und gesellschaftlicher Rolle Gleichberechtigung im täglichen Leben praktiziert.

Gemeinsam mit diesen Ankömmlingen ist uns das Menschsein als solches - und das Smartfone. Und ich fürchte, das sind schon fast alle Gemeinsamkeiten.

Es wird sich herausstellen, dass wir bei der mindestens zwei Generationen andauernden Aufgabe, unsere Lebensform als ‘kulturell gültig, erstrebenswert und religiös vertretbar’ zu vermitteln, nicht minder überfordert sind, als die, die zu uns einströmen: unvorbereitet, ahnungslos, überstürzt, auf der Flucht und getragen von der (falschen) Erwartung, ihr Leben wie gehabt weiter führen zu können; nur in Frieden, Sicherheit und Wohlstand.

Die Integrationsaufgabe wird uns schon allein deshalb überfordern, weil wir uns selbst in den verschiedenen ideologischen Denkschulen nicht einig darüber sind, was wir tatsächlich von den Neubürgern fordern ‘dürfen’, die im Schutz der Religionsfreiheit leben dürfen, und gleichzeitig einer Religion verpflichtet sind, die Lebensformen und Verhaltensweisen ausschließt, die bei uns geschriebenes Gesetz sind.

Kein Weg zur Integration kann der bereits bei den hier lebenden Muslimen eingeschlagene bleiben: zulassen dass - unter Verweis auf Religionsfreiheit - kulturelle Gepflogenheiten als sakrosankt akzeptiert werden, die grundgesetzlich garantierte Rechte und Pflichten einschränken.

Dabei sind Kinder unter der elterlichen Obhut in muslimischen Familienstrukturen aber auch Frauen besonders gefährdet.

Wehret den Anfängen - fordert unsere Selbstverständlichkeiten ein.

(Wenn ein Muslim Schweinefleisch verweigert, dann ist das ok, wenn aber muslimische Männer fordern, dass Frauen bei der Essensausgabe durch Männer ersetzt werden müssen, dann darf man - anders als bereits geschehen - nicht nachgeben.)

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