Sonntag, November 25, 2012

Ehrbarkeitszertifikat

Wir leben in einer Welt der Siegel und Zertifikate. Sie leiten uns durch den von Werbeversprechen verstellten Blick auf den Jungel konkurrierender Angebote.

Unterschiedlichste Bio- und Öko-Siegel begleiten unseren Einkauf von Lebensmitteln, Kleidung und Gartenmöbeln und versichern uns "mich kannst Du bedenkenlos kaufen, ich bin ein Produkt, das Dein Gesundheitsbedürfnis befriedigt und Dein Umweltgewissen beruhigt".

TÜV-Zertifizierung und mit dem CE-Prüfsiegel versehene technische Geräte garantieren uns, dass es mit dieser für den Laien schwer durchschaubaren Welt der Technik seine Ordnung hat und er getrost vertrauen kann.

Bei all diesen Siegeln und Zertifikaten geht es immer darum, uns dann, wenn unsere eigene Beurteilunsfähigkeit an ihre Grenzen stösst, eine Entscheidungshilfe zu liefern.

Gütesiegel und Zeugnisse, die Zeitschrift Ökotest und die Stiftung Warentest helfen uns weiter im unüberschaubaren Gewirre der Alternativen. (Und die Wurst von Gutfried kontrolliert das Institut Fresenius für Herrn Jörg Pilava, seine Familie und damit für uns alle. [Es wird dabei allerdings bewusst verschwiegen, was kontrolliert wird. Das ist wie bei einem Multiplechoice-Fragebogen. Jeder kann das einsetzen, was ihm besondrs wichtig ist. Z.B. den beinhalteten Anteil von Sägemehl.])

So weit so gut - oder auch nicht, denn mit der Zeit erkennt man die Regeln des Spiels: Zertifizierungen geben vor, uns Lebenshilfe zu sein. In Wirklichkeit stehen dahinter die Interessen derer, die die Zertifizierungen bezahlen. Nicht viel anders, als die Bezahlung der mit verführerischen Stimmungsbildern hinterlegten Aussagen der ewig jung haltenden Kosmetik in der Werbung. Also nix da mit Lebenshilfe. Mogelpackungen sind das - meistens zumindest.

Gestützt wird diese Theorie immer wieder durch Berichte über verschmutzte Backwaren trotz Hygienesiegel, krebserregendes Kinderspielzeug und ausdünstende Teppichböden mit Gütesiegel und wir kommen zu der Erkenntnis: Je zertifizierter, um so mehr soll kaschiert werden. (In diesen Tagen muss selbst die Stiftung Warentest, diese unbestechlich neutrale Bewertungsinstitution, einräumen, von den Herstellern getesteter und mit gut bewerteten Produkten hinters Licht geführt worden zu sein.)

Nun setzt Mensch noch einen drauf!

Die IHK, die Industrie und Handelskammer, bietet jedem Mitglied an, sich seine Ehrbarkeit durch eine Urkunde "Ehrbarer Kaufmann" zertifizieren zu lassen. Damit bekommt der so Geadelte unter anderem bestätigt, dass er ein Mensch ist, der ..zu seinem Wort steht, dessen Handschlag gilt. Ihm wird auch bestätigt, dass er ein Mensch ist, der sich dem Prinzip von ..Treu und Glauben verpflichtet fühlt.

Ich glaub's nicht! 

Was sagt das denn über unser Bild von uns selbst aus! Dieses Zeugnis geht davon aus, dass wir mehrheitlich der Meinung sind, unsere Mitmenschen sind im Zweifel alles Gauner, denen man nicht vertrauen kann. Und da ist es angebracht und vertrauensbildend, sich die Vertrauenswürdigkeit sozusagen durch eine Institution bestätigen zu lassen, die vertrauenswürdiger ist, als ich selbst es bin.

Wir können uns jetzt von einer seriösen Institution als Mensch mit den selbstverständlichsten Grundsätzen des vertrauensvollen Zusammenlebens beurkunden lassen!

Sie glauben mir nicht? Klicken Sie einfach hier>>, wenn Sie das Ehrbarkeitszeugnis bestellen wollen oder hier>> wenn Sie schon mal erkunden wollen, was man Ihnen bestätigt.

Übrigens: Ein Audit gibt es nicht.

Ich habe mir bestätigen lassen, was zu befürchten war: Eine Überprüfung des Antragstellers, ob er die Eigenschaften hat, die ihm bestätigt werden, erfolgt nicht. Eine laufende Überprüfung, ob er seine Geschäfte ihm Rahmen der beurkundeten Verhaltensweisen betreibt, besteht auch nicht. Die IHK entzieht die Urkunde auch nicht, wenn erkennbar wird, dass mit ihr unter falschem Segel gefahren wird. Allerdings (hört, hört!) könnte sie, denn die Urkunde steht unter Eigentumsvorbehalt der IHK! Im Übrigen werde der Wettbewerb schon dafür sorgen, dass die Schwarzen Schafe ruchbar werden.

Also ich würde raten: Wenn Sie in einem Geschäft oder bei einem Geschäftspartner auf diese Urkunde treffen, sollten Sie sich klar darüber sein: 

Ein Geschäftspartner, der es es als nötig erachtet, seine Vertrauenswürdigkeit von der IHK, einer Organisation, deren zahlendes Mitglied er ist,  beurkunden zu lassen, geht davon aus, dass er anderenfalls als unseriös wahrgenommen wird. Schlechtes Gewissen?

Also nix wie weg!!!

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