Ich beobachte, wie den Gästen beim Einchecken unter anderem ein Gutschein ans Herz gelegt wird: 10% Nachlass beim Besuch der Saline.
Die Saline verspricht sich offensichtlich Kunden, die nicht kommen, weil sie die Saline interessiert, sondern weil der Rabatt lockt. Selbst Menschen, die mit rollenden 50.000 € zur Übernachtung für 200 € vorfahren und in diesem Hotel absteigen, weil sie Niveau, Stil und Qualität suchen (?) und dafür viel Geld hinblättern, unterstellt dieses Angebot, über einen Rabatt käuflich zu sein.
Es fällt den Umworbenen offensichtlich nicht mehr auf, was ihnen unterstellt wird. So selbstverständlich scheint es schon zu sein, dass Rabatte uns motivieren.
Mich ärgert das.
Mir zu unterstellen, dass ich mit 10% Nachlass, also in diesem Fall mit 2 €, dazu gebracht werden könnte etwas zu tun, was ich nicht auch ohne diese 2 € getan hätte, weil es mich interessiert, oder dass ich wegen 2 € etwas tue, was mich an sich nicht intressiert, empfinde ich jedenfalls als beleidigend.
Erkennt niemand den darin verborgenen Verfall von Niveau, von Kultur, von Qualität? Ärgert sich niemand darüber, dass er mit „billig“ käuflich geworden ist?
Warum ich mich so aufrege – so schlimm sei das doch nun auch wieder nicht!
Doch, es ist noch schlimmer!
Schnäppchenjäger sind die Totengräber; Rabatte, Punkte, Sonderangebote spielen die Begräbnismusik; LIDL, ALDI, REAL, SATURN, MEDIA-MARKT, PRAKTIKER, KIK, also die Discounter und Factory-Outlet-Center, sind die Friedhöfe einer kultivierten Gesellschaft, die bisher davon gelebt hat, dass Kompetenz und Qualität ihr Markenzeichen waren.
Nein, ich rede nicht dem Elitären das Wort, nein, es geht mir nicht darum, dass ich es mir leisten kann, nicht auf den Preis zu schauen, ein Leben ohne Payback-Konto zu führen.
Auch ich schaue auf den Preis – aber erst auf die Qualität, denn sonst, so bilde ich mir ein, kann ich die Angemessenheit des Preises nicht würdigen.
Billig – und das ist die Katastrophe – ist als Begriff zur eindimensionalen Orientierung des Verhaltens einer Gesellschaft geworden. Ein Begriff, der alleine steht, bezugslos. Er ist sozusagen absolut, hat keine Entsprechung, steht außerhalb der Kritik, rechtfertigt sich in sich selbst.
Billig ist als solches schon gut und die Abwärtsspirale unserer Lebensform ist eingeläutet. Es scheint kein Halten mehr zu geben.
Das Kaufverhalten orientiert sich nicht mehr an der Frage, welche Ansprüche gestellt werden, welche Qualität erwarte wird, ja oft überhaupt nicht mehr daran, was gebraucht wird, sondern nur noch daran, wo es etwas billig gibt.
Wer billig als Orientierung akzeptiert, lässt zu, dass es auf die Qualität nicht mehr ankommt. Wem es nicht mehr auf Qualität ankommt, der verlernt es, Qualität zu erkennen. Wer Qualität nicht erkennen kann, kann sie nicht liefern.
Qualität ist aber eine, wenn nicht die aussagekräftigste Dimension für die Kultur einer Gesellschaft – auf allen Ebenen. Eine Gesellschaft, die die Orientierung an Qualität aufgibt, gibt sich selbst auf. Das umfasst Sitten und Gebräuche, Verhaltensweisen untereinander, die Kunst – schlichtweg: die ganze Lebensart.
Wer preiswert durch billig ersetzt, verzichtet auf Qualität als Maß des Preises und verliert in der Folge zwingend seine Urteilskraft.
Das hat gravierende Folgen für Alle und Alles.
Anbieter von Leistungen und Produkten nützen diesen Verlust an Qualitätsurteil, fördern und pflegen ihre Zielgruppe geschickt. LIDL, ALDI, SCHLECKER platzieren jeden Monat ein Sonnenöl, einen Computer, ein Speiseöl oder was immer mit Mindesturteil „gut“ bis „sehr gut“ in einer Testzeitschrift und liefen jedem Käufer, der billig sucht, sein Qualitätsargument frei Haus und damit die Rechtfertigung aller Einkäufe bei diesen Discountern. SATURN und MEDIAMARKT sponsern Preise für Einzelprodukte und bewerben sie massiv und legen sich das Pauschal-Image billig zu – dahinter wird kassiert in den unzähligen, oft weit überteuerten Standardprodukten.
Und wenn PRAKTIKER fast ununterbrochen 20% Rabatt gewährt, gibt es dafür 4 gut gemischte Zutaten:
- Lieferanten werden erpresst (das ist so, ich weiß, wovon ich rede);
- Qualität wird unsichtbar auf das unterste, gerade noch tragbare Level abgesenkt;
- letztlich wird der Nachlass zunächst aufgeschlagen.
- Alle anderen Produkte sind überteuert.
Der Apell lautet kauf Dir einen Rabatt, erwirb ein Schnäppchen – wurscht, was es ist.
Unseren Schnäppchenpreis bezahlen Menschen in der Dritten Welt, die zu den Löhnen und weit darunter arbeiten müssen, die wir, die uns an billig orientieren, als menschenunwürdig bezeichnen.
Oder wie, glaubst Du, kann der Kinder-Jogginganzug bei KIK 4,80 € kosten, von dem der Baumwollbauer, die Spinnerei, die Weberei, die Färberei, die Schneiderei, der Importeur, der Reeder, der Spediteur, die Zentrale von Tengelmann (dazu gehört KIK) und letztlich KIK leben können wollen?
KIK & Co sind Verbrecher und wir Käufer ihre mörderischen Helfershelfer. So ist das!
Wir haben es bald geschafft: Wir werden kaufen, weil es billig ist ohne die Frage zu beantworten, ob wir das, was wir billig erwerben, überhaupt brauchen. Und der Qualitätsverlust wird nicht mehr wahrgenommen, weil wir die Qualität nicht mehr beurteilen können. Dafür gibt es endlose Beispiele - man denke nur an die Fleisch-"Qualität" in Supermärkten....
Ich warte auf den ersten, der mir mitteilt, er habe gerade einen Wahnsinns-Rabatt gekauft!
Ergebnis: Die Abwärts-Spirale ernährt sich selbst und die Käufer vernichten ihren eigenen Arbeitsplatz.
Wir, die Bürger der sogenannten westlichen Welt, wollen billig kaufen. Der Handel trägt dem Rechnung, treibt das Spiel virtuos weiter - und die produzierende Wirtschaft vor sich her.
Die Kaufentscheidung nach „billig“ erzeugt Lohndumping bis zum Arbeitsplatzverlust.
Die Billig-Mentalität hat zur Folge, dass unqualifizierte Menschen sich zunehmend nicht mehr aus Arbeitseinkommen ernähren können, weil sie keine Arbeit haben oder eben zu Löhnen arbeiten müssen, die zu denen tendieren, die dort bezahlt werden, wo KIK seine Kleidung nähen lässt.
Die kauft dann der Einkommensschwache mit dem Argument, dass er sparen müsse, wo er könne. Ihm kann man es nicht verübeln.
Wenn also der Bürger sozusagen die Preise für seine eigene Arbeit nicht bezahlen will und kann, vernichtet er die unqualifizierten Arbeitsplätze – die Arbeiter aber bleiben übrig.
Die Gewerkschaften steuern dem objektiv untragbaren Zustand durch Mindestlohnforderungen entgegen – nachvollziehbar bejubelt, weil so einsichtig.
Aber die Leistungen und Produkte würden damit zwingend teurer mit der Folge, dass sie im Schnäppchen- und Billig-Land vermutlich nicht mehr gekauft werden, denn der Abstand zu den Billiglohnländern wird nur größer.
Die Politiker treten mit Umverteilungsparolen an - das ist gut verkäuflich.
Aber wie viel Belastung vertragen die sogenannten Reichen und Besserverdiener angesichts der Tatsache noch, dass die 10% „Besserverdiener“ (alle über 75.000 € Jahres-einkommen) heute bereits 55 % des gesamten Einkommensteueraufkommens entrichten, die darunter liegenden 40 % weitere 40% einspeisen und die unteren 50% der Einkommensbezieher nur noch 5%? Wobei der Staat – alle anderen Steuern hinzu genommen - schon heute ca. 50% des Bruttosozialprodukts nimmt und neu verteilt.
Wie einsichtig und moralisch nachvollziehbar die beiden Lösungsansätze sein mögen: Beide lösen das gesellschaftliche Phänomen der Abwärtsspirale einer Billigmentalität nicht, denn es geht um das Bewusstsein und die Selbstachtung der Bürger und um ihr Verhältnis zum Gemeinwesen, zum Staat.
Was also, müssten wir tun, um das aufzuhalten?
Unsere Westliche Welt hat noch immer einen enormen Vorsprung an know-how auf vielen Feldern. Den Vorsprung zu halten, tunlichst auszubauen ist die Aufgabe – ja die einzige Chance, die unsere Gesellschaften haben. Das ist teuer – aus vielen Gründen aber schon offensichtlich aus den folgenden beiden Überlegungen heraus:
- Die Verantwortlichen - Eltern, Unternehmen, Staat - müssen die nachrückenden Generationen so ausbilden, dass unser Vorsprung gehalten werden kann, wir müssen in Forschung und Entwicklung investieren, wir brauchen einen hohen technischen Innovationsgrad – das alles ist sehr teuer und langfristig – längerfristig als eine Wahlperiode.
Stattdessen nimmt – weil der Staat kein Geld hat, einzugreifen und die Kulturhoheit Ländersache ist – bei abnehmender Geburtenzahl die Zahl der ungebildeten junger Menschen sprunghaft zu, leisten wir uns eine Jugendkultur, die von Orientierungslosigkeit und mangelnder Ausbildung gekennzeichnet chancenlos ein Eigenleben führt, weil wir beispielsweise kinderreichen Zuwanderern gestatten, ihre religiös-kulturellen Lebensformen in einer Umwelt zu leben, von der sie selbst überfordert sind und folglich erst recht dadurch, ihren Kindern Lebenshilfe und Chancen in dieser, deutschen Gesellschaft zu bieten. - Wir Bürger müssen Qualität als Maßstab unserer Leistungen im Wettbewerb hoch halten und kultivieren, denn nur so sind die Preise für unsere Leistungen in der Welt zu verkaufen, die wir benötigen für Ausbildung, Forschung, Entwicklung und wünschenswert hohe Entlohnung unserer qualifizierten Bürger.
Stattdessen erheben wir billig zum Maßstab unserer Orientierung in unserem täglichen Leben – und zwar nicht nur der, der keine andere Möglichkeit hat, um zu überleben. Die meisten Kunden bei LIDL, ALDI und Co sind vernünftig verdienende Mittelständler, Oberstudienräte eingeschlossen, die ihre Prioritäten anders setzen: Billig einkaufen – dafür länger und weiter im Urlaub. Eine Gesellschaft, die in ihrem täglichen Leben auf die Pflege der erworbenen Kulturwerte – und die erfolgt über qualitative Sicherung der erreichten Standards – verzichtet und lieber Qualität gegen billig eintauscht, befindet sich auf dem falschen Weg.
Deshalb brauchen wir eine Trendwende hin zur Qualität.
Weg mit BILLIG, orientieren wir uns wieder an preiswert.
Alle, die die Wahl haben, weil sie Hirn genug haben und ein ausreichendes Einkommen, sollten Discounter, die mit „billig“ werben, meiden und sich an Qualität orientieren und nach preiswert kaufen.
Der Preis ist nicht so hoch, denn auch dann, wenn wir bei billig bleiben, unsere Ansprüche an Qualität vollständig vergessen haben und ganz unten angelangt sind, werden wir irgendwann feststellen, dass immer noch alles zu teuer ist,es aber nichts mehr von Qualität zu kaufen gibt.
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