Samstag, März 24, 2012

Guttenberg - kennst Du den noch?

Kennst Du jemanden, der sich noch daran erinnert, dass wir einmal einen jungen Politiker hatten, der - mit guten Manieren präsentabel, zupackend mit neuem Stil, nicht aus der Kaste der Politikfunktionäre und dem Parteiapparat kommend, also geschliffen, ohne abgeschliffen zu sein - in kritischer Situation als Wirtschaftsminister eingesprungen die Opelkrise in erfrischendem Stil erfolgreich entschärft hat?

Der dann das nächste heiße Eisen anpackte und als Minister der Verteidigung die längst überfällige und immer in die nächste Legislaturperiode weitergereichte Bundeswehrreform anpackte und unter Applaus der Medien Pläne dazu vorlegte, konkrete Schritte einleitete und sich mit der eingeigelten, verbeamteten Führungsriege im Verteidigungsministerium anlegte?


Ja, ein wenig nassforsch kam er rüber, etwas zu selbstsicher und medienorientiert. Das Gel in den Haaren gefiel nur bedingt, seine Herkunft und die wirtschaftliche Unabhängigkeit diente den mehrheitlich linkslastigen Medienmachern von Anbeginn zu versteckten Nadelstichen.

Dennoch:
Er bekam damals viel Lob, wurde von den einen schon als denkbarer Kanzleraspirant hochgejubelt, von den anderen als längst erwarteter Gegenspieler des unsympathischen Markus Söder begrüßt, bis dato unangefochtener CSU-Politstar aus Nürnberg und ungefährdeter Nachfolgeaspirant des wankelmütigen Bayerischen Landesvaters Horst Seehofer.

Er hieß - namensrechtlich korrekt - Dr. Karl-Theodor von und zu Guttenberg - und das wurde sein Verhängnis.

Nein,
wirst Du einwenden, sein Verhängnis ist sein erschlichener Dr.-Titel und die Ungeschicklichkeit, mit der Aufdeckung umzugehen. Stimmt! Und von mir kommt keine Verharmlosung, keine Entschuldigung, kein Kleinreden, kein Verständnis. Nein, sein Verhalten geht nicht, ist unentschuldbar. Das gilt auch dann, wenn heutzutage eine Inflation und gewisse Laxheit bei der Vergabe von Dr.-Titeln eingerissen sein mag.

Und der Versuch des Vertuschens und des sich Klammerns war blamabel. Ich erlebte ein unangenehmes Gefühl des Fremdschämens für seinen Umgang mit der Entdeckung. Mich schaudert noch immer.


Ich kann mich aber dennoch des Verdachts nicht erwehren, dass der Angriff und die erbarmungslose Verfolgung nicht stattgefunden hätte, wenn er Dr. Georg Meier geheißen und nicht so herausragend erfolgreich nur so zwischen den Parlamentariern gesessen hätte, denn angesichts des laxen Umgangs mit dem Erteilen von Dr.-Titeln bin ich sicher, dass noch so mancher das Ansehen des Titels in der Öffentlichkeit auslebt, ohne dass die zugrunde liegende Leistung seinem eigenen Kopf entsprungen ist.


Rückblickend fällt auf
, dass die erbarmungslosen Plagiatjäger - selbsternannte Gerechte, die ihr Tun als höheren Werten verpflichtet begründen - bisher Guttenberg (CSU), Jorgo Chatzimarkakis (FDP), Silvana Koch-Merin (FDP), Margarita Mathiopoulos (FDP), Daniel Volk (FDP) und beide Kinder von Edmund Stoiber (CSU) "am Wickel" oder zu Fall gebracht haben. Ich habe nicht gehört, dass ein Politiker von der Linken oder von der SPD auf der Untersuchungsliste standen. Honi soit qui mal y pense.

[Und jetzt, so habe ich gehört, leiden die Betreiber der Veröffentlichungsplattform
VroniPlag Wiki unter Mangel an Jägern. Ziel erreicht? Feldzug siegreich beendet? Gerechtigkeit hergestellt? Kein öffentlicher Applaus mehr?]

Ich stelle ebenfalls rückblickend - und der Umgang im Zusammenhang mit Christioan Wulf hat das befördert - fest, dass sich meine Einstellung zu den Medien als Wächter der Freiheit, deutlich verändert hat.

Ich erinnere mich noch immer entsetzt der grauenhaften, unmenschlichen, hinterhältigen, das niedrigste im Menschen herauskehrenden, hämischen Art und Weise, wie unsere mediale Gesellschaft den Menschen Guttenberg geteert, gefedert, gepfählt, gevierteilt und letztlich geschreddert hat und anhaltend ohne Erbarmen verharrt in der Bereitschaft, das Auftauchen seines Namens zum Anlass zu nehmen, die verbliebene Reste unter Wasser zu drücken, bis er ertrunken ist - und wenn seine neue Frisur oder seine Herkunft dafür herhalten muss. Kein Mitgefühl, keine Menschlichkeit - nur selbstgerechte, bösartige, empathifreie Kälte. (Gleiches widerfährt nun auch Christian Wulf.)

Ein widerlicher Zug in unserer Gesellschaft ist die Neigung zu sentimental-bigotter Selbstgerechtigkeit - lustvoll benützt von den Medien. In diesem Klima fühlt sich jeder mittelmäßigen Medienfuzzi im Schutz der Pressefreiheit, jeder nach Bedeutung ringende blogger im Schutz der Anonymität seines Niknames in den Foren der Online-Medien berechtigt, den wehrlosen Mitmenschen hinzurichten, der mit dem Makel eines Fehlverhaltens gebrandmarkt ist und so den Frust über die eigene, bedeutungslose Mittelmäßigkeit auszuleben. Kotz!


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