Sonntag, September 11, 2005

Zustand der deutschen Gesellschaft

Eine kulturell und sozial hochentwickelte Gemeinschaft kann nur bestehen, wenn das Gesellschaftsmodell den Bürgern als Handlungsrahmen Freiheit bietet, Eigenverantwortung und Leistungswillen fordert und Gemeinsinn fördert. Die Finanzierung kultureller, sozialer und anderer Gemeinschaftsaufgaben kann dauerhaft nur erfolgen, wenn die Gesellschaft Rahmenbedingungen für eine florierende Wirtschaft sichert. So hat Deutschland 1948 begonnen, um heute in einem Prozess abnehmenden Reichtums weitgehend handlungsunfähig fest zu stecken.
Wie lange noch?

Unsere Gesellschaft ist in den knapp 60 Jahren seit Gründung mit zunehmendem materiellen Überfluss vom Ursprungs-Modell der sozialen Marktwirtschaft abgeglitten in eine sozialistisches Gebilde, was die Haltung der Bürger zu ihrem Gemeinwesen nachhaltig beeinflußt hat. Die Leistungsbereitschaft als konstruktives Element unserer Gesellschaft in der Aufbauphase ist einer Anspruchhaltung in der heutigen, konsumorientierten, gewichen. Die Begriffe Demokratie und Freiheit sind in der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung zwar Sprachschatz, werden aber weitgehend materiell belegt und als pflichtenfreie Grundrechte verstanden. Die Rechte sind sozialisiert, die Erfüllung von Pflichten sind dem Staat auferlegt, der nicht als Organisationsform der Bürger, sondern als neben ihnen stehende Dimension eigener Art wahrgenommen wird.

Das hat gravierende Folgen für die Sicherung der Zukunft unseres Gemeinwesens:
Grundlage sozialer Gerechtigkeit ist Chancengleichheit. Wir verwechseln aber dabei das Recht auf gleiche Start-Chancen mit dem Recht auf gleichzeitigen Ziel-Einlauf. Wer schneller läuft, weil talentierter, engagierter, fleißiger, wird gedrosselt. Die gesellschaftliche Orientierung ist folglich nicht nach vorn oder oben sondern auf das Mittelmaß gerichtet.


Wir haben die ureigenste, persönliche Aufgabe, unser Leben zu meistern, Institutionen übertragen und haben so unsere Freiheit gegen Versorgtsein getauscht um den Preis der Fähigkeit, situationsorientiert, also erkenntnisbezogen zu handeln und so aus eigener Kraft zu leben.

Es ist keine Tragödie, wirtschaftlich abzusacken und in der Bildung zurückzufallen - tödlich ist es aber, dass wir nur noch diagnose- aber nicht mehr regenerationsfähig sind; wir erkennen die Mängel, beherrschen die Methoden ihrer Behebung, behindern uns aber gegenseitig in ihrer Anwendung.

Dieser Zustand hält an,
....so lange Parteien, Politiker und Funktionäre Machterhalt bzw. Machtgewinnung als übergeordnetes Ziel anstreben, und die Sorge um das Gemeinwohl nur als Alibi missbrauchen;
....so lange Politik nicht die Kraft findet, das engmaschige Netz aus Gesetzen, Verordnungen und Regelungen gegen die Widerstände von Interessenvertretern und Behörden auf ein lebensbejahendes Maß zu lichten, Risiko als unvermeidlichen Teil des Lebens akzeptiert und den Bürgern Freiräume für Eigen-Intitiative, Gestaltung und Eigen-Verantwortung zurück gibt;
....so lange Beamte Exekutive und Legislative beherrschen und unser Land verwalten und nicht gestalten, weil Sicherung des Bestandes - nicht das Leben mit Chancen und Risiken - das Wesensmerkmal von Beamtentum ist;
....so lange ein unübersehbares Funktionärswesen als Ausdruck von Gruppeninteressen egoistische Positionen ohne Rücksicht auf das Gesamte machtvoll und über politische Einflussnahme erfolgreich sichert;
...so lange Unternehmen zunehmend von angestellten Managern unter dem Gesichtspunkt der absoluten Gewinnmaximierung technokratisch gestaltet werden, die Mitarbeiter in erster Linie als Kostenverursacher und nicht als Leistungsträger wahrnehmen;
....so lange wir Arbeitsmarktpolitik betreiben statt Wirtschaftspolitik und dabei Gewerkschaften und Sozialpolitikern die Gestaltung der Rahmenbedingungen für Wirtschaft überlassen - so falsch wie Brückenbau nach künstlerischen statt nach statischen Gesichtspunkten;
....so lange die Medien hinter dem Schutzschild der Pressefreiheit verantwortungslos alles verbreiten, was Auflagen und Einschaltquoten sicherstellt;
....so lange unsere Bildungssysteme Begabungen nivellieren, weil Elite als Ausdruck für die Besten stigmatisiert ist und Orientierung nach unten in falsch verstandener 'sozialer Gerechtigkeit' gefördert wird;
....so lange wir fortfahren unsere gesamte Bevölkerung zu versorgen und ihr vermitteln, dass sie ihre Existenzrisiken bei Sozialversicherungs-Systemen parken kann und der Einzelne die Folgen seines Handelns oder Unterlassens nicht mehr selbst tragen muss;

....
so lange also machtorientierte Politiker, verwaltende Beamtenmentalität, bestandssichernde Funktionäre, verantwortungslose Medien und ein rundumversorgtes Volk die Wesensmerkmale unseres Staatswesens sind, wirtschaftliches Handeln unter dem Primat der Wahrnehmung sozialer Aufgaben steht und Erfolg durch die Gesellschaft nicht primär als erfreuliches Ereignis wahrgenommen wird, sondern als Gelegenheit, Neid zu fördern und Früchte umzuverteilen - so lange wird sich nichts bewegen.


Ich sehe unsere Gesellschaft ernsthaft an Degeneration erkrankt.