Wir mussten schon immer damit leben, dass Geheimdienste Geheimes im Geheimen tun.
Geheimdienste sind ein unverzichtbarer Bestandteil jeder Machtkonstellation und keine Erfindung der Neuzeit. Man nannte sie nur anders bei Hofe. Und dass Geheimdienste die jeweils für ihre Tätigkeit Erfolg versprechendsten Methoden anwenden, liegt ja wohl auf der Hand. Wer sich darüber empört ist moralisch auf dem richtigen Weg aber naiv, also nicht lebensfähig.
Wenn es also Geheimdienste gibt, so stellt sich mir die Frage nach dem Warum eigentlich?
An dieser Stelle möchte ich einmal festhalten: schön wäre es, wenn der Mensch als solcher gut wäre; Tatsache ist aber: er ist nicht gut. Er ist auch nicht böse. Gut und Böse sind Kategorien mit denen man den Menschen in seiner Grundkonstitution nicht beschreiben kann. Beides - wenn man in diesen Kategorien klassifizieren möchte - ist in jedem Menschen angelegt und es sind die Umstände, die den Ausschlag für das Verhalten geben. (Wir tun also gut daran, an Lebensumständen zu arbeiten, die dem Bösen in uns keine Chance geben.)
Ich behaupte, dass wir alle Geheimdienstler sind - in Abhängigkeit von unseren individuellen Schutzbedürfnissen.
Der Mensch ist ein denkendes Wesen mit dem biologisch festgelegte Grundtrieb der Selbsterhaltung und der Fähigkeit der Erkenntnis und Reflexion seines Tuns - eine schwierige Bipolarität. Er ist in Gruppenwesen, das Verhaltensmuster entwickelt, in der Gruppe miteinander aus zu kommen. Die Gruppe sichert ihre Interessen gegenüber konkurrierenden Gruppen. Grundmuster: die andere Gruppe ist so lange gefährlich, bis sie durch ihr Verhalten vom Gegenteil überzeugt hat oder bis wir die Kontrolle über sie sicher gestellt haben. Das ist nicht anders, als bei Raubtieren, die im Rudel jagen.
Die vererbte Erfahrung hat den Menschen gelehrt, dass nichts von Dauer ist - es gibt keine Garantie für Nachhaltigkeit menschlicher Beziehungen. Also: sicherheitshalber absichern - nie die Kontrolle verlieren. Das könnte tödlich sein.
Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben sich - meist von klimatischen und geografischen Bedingungen des Lebensraums beeinflusst - ganz unterschiedliche Verhaltensmuster entwickelt, um Übeleben des Einzelnen in der Gruppe zu organisieren und zu sichern.
Leben und überleben der denkenden Spezies Mensch geht immer mit der Notwendigkeit einher, bewusst Entscheidungen zu treffen und auf diese Weise die Zukunft zu gestalten. Die Zukunft ist immer unbekannt. Entscheidungen beruhen also immer auf Annahmen und Erwartungen bestimmter Folgen. Diese Annahmen spiegeln die gemachten, in der Vergangenheit liegenden Erfahrungen und Erkenntnisse, die sich gerne zu Überzeugungen bezüglich der Zukunft verdichten.
Allerdings - und hier liegt die Wurzel eines unausrottbaren Konflikts - kommen verschieden Menschen zu verschiedenen, gelegentlich sich unversöhnlich gegenüber stehenden Überzeugungen. Stehen sich Überzeugungen unversöhnlich gegenüber schliesst das ein, dass die jeweils andere Überzeugung und die daraus abgeleiteten Entscheidungen die Zukunft betreffend falsch sind und verhindert werden sollten.
Derartige Konflikte innerhalb der Gruppe werden nach den gewachsenen und gelebten Konfliktlösungsstrategien zum Nutzen der Gruppe gelöst. Irgendwo zwischen autoritär und basisdemokratisch. Zwischen Gruppen kracht’s gerne mal, weil jede die Vorherrschaft des zukünftign Weges bestimmen will.
Aus den Gruppen (Familien, Clans, Stämmen, Reichen) sind Nationen in weitgehend territorial unbestrittenen Grenzen geworden, es hat sich sogar mit der UNO ein Forum gebildet, in dem die Vertreter aller Nationen die Interessen der eignen verfolgen können - sozusagen ein Markt für Interessenausgleich. Die inneren Angelegenheiten regelt jede Nation eigenverantwortlich.
Die UNO ist der bisher weitestgehende Versuch, ein globales Konfliktlösungsforum zu schaffen. Die Schwäche der UNO liegt im historischen Ballast. Der hat seine Ursache in der konfliktreichen und auf Jahrhunderte zurückblickende Nationenbildung. Was heute eine Nation ist, war im Zweifel vor 80 Jahren noch eine vom Nachbarn in der UNO-Sitzordnung unterdrückte und ausgebeutete Kolonie. Das haben beide nicht vergessen. Man mag vertraut sein miteinander - aber Vertrauen ist was anderes.
So ist die Menschheit unverändert getränkt vom gegenseitigen Misstrauen und Absprachen sind meistens, wenn nicht gar immer, geprägt vom Eigennutz. Wenn diese Grundlage schwindet, schwindet das Vertrauen. Wer nicht vertraut, ist auf der Hut und sichert sich ab. Latente Befürchtungen begleiten uns - Ausdruck der notwendig erscheinenden Absicherung vor möglichen Gefahren.
Menschen haben die Erde in beindruckender Weise gestaltet und damit den eigenen Lebensraum und den aller anderen Lebewesen. Menschen kommunizieren in Lichtgeschwindigkeit rund um den Erdball und nehmen den Mars als Besiedelungsraum in den Blick. Im Streben nach Verbesserung formen wir unsere Körper mit dem Scalpell, manipulieren unser Erbgut im Reagenzglas und befreien Frauen von der biologischen Gestaltungsenge ihres Daseins, indem wir in der hoch fruchtbaren Lebenszeit Eizellen entnehmen, einfrieren und dann zwecks Erfüllung von Kinderwunsch evtl. mit 40+ befruchten. Wir nennen das Fortschritt und berauschen uns an unserer selbstgeschaffenen Möglichkeiten, die unser Gehirn so anbietet.
Nur wir selbst haben uns kaum verändert. Wir sind anhaltend und unverändert unseren Trieben und unkontrollierbaren Urängsten ausgeliefert, die uns jeder Albtraum spürbar macht. Misstrauen in der Begegnung mit dem Fremden, selbsterhaltende Eigenschaft der Urzeit, hält uns gefangen und spiegelt sich in unseren Vorurteilen. Alles irrational und seit Urzeiten unser Verhalten beherrschend. Es geht gleichbleibend um Macht, Einfluss, Deutungshoheit bezüglich des richtigen Weges und um Sicherung des Erreichten.
Und genau hier bieten sich Geheimdienstaktivitäten als sichernde Begleiter auch im Umgang mit Bürgern und befreundeten Staaten an unter dem Moto: Lieber Bürger, lieber befreundeter Staat, ich vertraue Dir. Natürlich! Aber sicherheitshalber, wirklich nur sicherheitshalber! möchte ich doch nach dem Rechten schauen, denn mein Vertrauen wurde schon oft enttäuscht und die Geschichte lehrt mich….. Und überhaupt schütze ich Dich, wenn ich weiß, was vor sich geht, vor Gefahren, die Du nicht erkennen kannst.
Na und dass Geheimdienste nicht halt machen vor der Privatsphäre von Staaten und Bürgern, liegt auf der Hand. Das gehört zu ihrem Selbstverständnis. Zumal ihr Treiben zwangsläufig im Geheimen stattfindet und sich folglich weitgehend gesellschaftlicher Kontrolle entzieht.
Wir sollten unsere Kraft nicht in Empörung investieren, so schön das Gefühl auch sein mag; Sinn macht es, aktiv dran mit zu arbeiten, dass diejenigen, die wir wählen, und die die Funktionen und Aufgaben für den Geheimdienst definieren, fest verankert sind in den Grundwerten unserer Gesellschaft.
Dabei sollten wir uns immer der Tatsache bewusst sein: Wenn Demokratie nicht das selbstverständliche Lebensgefühl des Volkes ist, existiert sie nicht.
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