Stell Dir vor, wir ließen Kirchen und Religionsführer hinter uns…

Als einziges (uns bekanntes) Lebewesen weiß der Mensch, dass er sterben wird.

Aus diesem Wissen um sein Ende ergeben sich Fragen, auf die er keine Antwort findet. Die Frage nach dem Danach ist wohl die Kernfrage. Immer und in allen Kulturen, zurück bis in die früheste Menschheitsgeschichte, werden Bestattungs- und Totenrituale entwickelt, die den jeweils geltenden Vorstellungen von einem möglichen Weiterleben in anderer Form Ausdruck verleihen.

Weitere Fragen ergeben sich immer da, wo eine menschliche Wahrnehmung gegeben ist, aber keine Erklärung für das Geschehen. Blitz und Donner, der sich ändernde Sonnenverlauf, Springfluten usw. Es ist naheliegend, dass es zunächst die unerklärlichen Erscheinungen mit gravierenden Auswirkungen für Leib und Leben waren, die Fragen aufwarfen bis hin zu der - fortgeschrittenen, weil vieles umfassenden - Frage, woher alles das kommt, was den Lebens- und Erfahrungsraum ausmacht.

So kam es zu der Vermutung, dass es ein höheres Wesen, einen Schöpfer geben könnte, denn klar war, dass menchliches Vermögen ‘die Welt’ nicht geschaffen haben konnte. Mensch war sich der eigenen Grenzen bewusst.

Das ist der Ausgang von Religion, aller Religionen.

Die Wurzel, ja die zwingende Voraussetzung der Existenz von Religionen ist die beschränkte Erkenntnisfähigkeit von fragenden Menschen, die sich und ihr Dasein unerklärlichen Kräften ausgeliefert erleben. Aus diesem Gefühl des ausgeliefert Seins ohne durch eigenes Dazutun an diesem Schicksal etwas ändern zu können, erwächst das Bedürfnis nach Schutz, Geborgenheit und Trost zumal bei der noch heute bei Schicksalsschlägen naheliegendsten Frage: Warum trifft es grade mich?

Es waren die Intelligentesten, die Klügsten, die Lebenserfahrensten - ursprünglich sicher die Alten, zumal die alten Frauen, die Einblick in den geheimnisvollen Vorgang um die Geburt verfügten - denen die Erwartung entgegen gebracht wurde, mehr zu wissen. Sie wurden befragt, wenn die Clan- oder Stammesmitglieder nicht weiter wussten.

Dem Stärksten, dem Gechicktesten dem besten Jäger oder Kämpfer, der die Gruppe im ‘irdichen’ im konkreten alltäglichen Dasein führte, waren die Weisen zur Seite gestellt, zustänig für die Deutung und das richtige Verhalten gegenüber dem Unerklärlichen.

Diese im unerklärlichen Jenseits verankerten Vollmachten verliehen ihnen Macht. Aus ihnen heraus entwickelten sich Zauberer und weise Frauen, Priester und Priesterinnen, die ihr Wissen mehrten, klug und elitär pflegten und selektiv weitergaben. Sie entwickelten Rituale (die Menschen in vielfältiger Weise noch heute brauchen) und festigten ihren Alleinanspruch auf den Bezug zum Jenseits. Die Urform der Kirche war geboren - Religionen hatten einen Raum und Vertreter des Jenseitigen auf Erden, waren institutionalisiert und einflussreicher Teil aller Gesellschaften.

Wer Macht hat, verteidigt sie und kämpft um die Vergrößerung seines Einflusses. Beispielhaft stehen die blutigen und grausamen Kämpfe zwischen Kaisern und Päpsten um die materielle Vorherrschaft im Diesseits, sprich um Reichtum, der heute allenthalben die Katholische Kirche unterfüttert in der anhaltenden Auseinandersetzung um Einfluss und Deutungshoheit menschlichen Seins.

Um Macht und Einfluss drehten sich die kriegerischen Auseinandersetzungen, um die geistige Vorherrschaft zwischen Religionen, wie dem Islam und dem Christentum, oder Glaubenskämpfe, wie der 30-Jährige Krieg zwischen Glaubensrichtungen.

Alle Religionen setzen an der menschlichen Erkenntnisgrenze immer Glauben an die Stelle von Wissen. Die Kirchenführer wissen - das gilt für alle Religionen gleichermaßen - dass die gößte Gefahr für sie in der menschlichen Erkenntnis liegt. (Am Rande bemerkt: Das gilt nicht nur für Religionen, das gilt für jede Macht. Diktaturen tun alles, um ihre Bürger vom Wissen um andere Gesellschaftsformen als die verordnete, abzuschotten. Das war bei Hitler so, in der DDR und heute in Nordkorea ganz exemplarisch.) Nicht umonst hat die Katholische Kirche Hexenverbrennungen veranstaltet, meist um diejenigen auszuschalten, deren Wissen gefährlich wurde. Gallileo Gallilei wurde unter Androhung der Folter von den Inquisitoren gezwungen, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu widerrufen wie überhaupt das 17. Jahrhundert von exzessiven Bemühungen der katholischen Kirche gekennzeichnet ist, die Erkenntnis der Naturwissenschaften zu unterdrücken, die das gültige, allein kirchlich geprägte Weltbild infrage stellten. (Giordano Bruno wurde im Jahre 1600 durch die Inquisition wegen seiner nicht kirchenkonformen Erkenntnisse auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Das Unrecht wurde von der Katholischen Kirche eingestanden: immerhin schon nach nur 400 Jahren im März 2000)

Erkenntnis ist sozusagen der natürliche Feind des Glaubens und die Kirchen wissen auch, dass die Erkenntnisse die Grenzen des Unerklärlichen immer weiter hinaus schieben, dass sogar die Gefahr besteht, auch noch die letzte, verschlossene Türe zu öffnen - gleichbedeutend damit, dass das Konstrukt “GOTT" und damit die Basis aller Gläubigkeit und damit die Kirchen selbst im Fundament bedroht sind.

Kirchen haben jedoch einen verlässlichen Verbündeten: das ist der Mensch selbst. Er, der Einzelne, ist im Kern ein irrationales, instinktgesteuertes Wesen mit den biologischen Determinanten Überleben und Arterhaltung. Die Ratio, Sitz der Erkenntnisfähigkeit, ist darüber gelagert und eigentlich nichts anderes als ein Werkzeug, die beiden Grunfunktionen erfolgreich abzusichern.

Und dieser, unser Kern, der Urmensch in uns, der Bereich, der - in Unordnung gebracht - den Psychater fordert, der Kern, der irrationale Bedürfnisse und Ängste produziert, den wir gelernt haben Seele zu nennen, dieser Kern in uns ist der Schwachpunkt, wenn es um die Einwirkung von Religion geht. Hier setzen Kirchen an, Gurus, Sekten und andere Heilsverkünder, esoterische Heilpraktiker aber auch Demagogen, die uns verführen wollen, unser Leben und Handeln ihrer Idee zur Verfügung zu stellen, hier werden unsere irrationalen Bedürfnisse befriedigt und Ängste genommen. Hier wird der ‘heilige Schauer’ ausgelöst. Alle Verführer wissen das.

Verführbar ist nicht die Vernunft - der Heiratsschwindler lebt von Sehnsüchten (und dem Geld der erfolgreich Verführten). In den Kirchen, speziell der katholischen, ist in zwei Jahrtausend Wissen um die irrationalen, nicht durch das Bewusstsein kontrollierbaren Kräfte, speziell um unsere Ängste, gesammelt und die psychologischen Methoden des Umgangs mit diesem Wissen verdichtet und verfeinert. Das Angebot zwischen Drohung mit der Hölle und der Erlösung im Himmel bei gottgefälligem - richtiger vielleicht bei kirchengfälligem - Verhalten zeigt bei schlichten Gemütern anhaltend Wirkung.

Doch halt, es gibt einen entscheidenden Unterschied: Religionen, die im Transzendenten wurzeln - nicht Kirchen, das möchte ich betonen - haben gemeinhin vom Ursprung her die segensreiche Funktion, das Zusammenleben von Menschen positiv, vor allem im Inneren der religionszugehörgen Gemeinschaft, zu fördern. Das unterscheidet sie von Ideenkonstrukten, die meist auf ….ismus enden oder Heilsverkündungen mit irdischen Versprechen wie das Handauflegen gegen 10 € zur Beseitigung von handy-Strahlung.

Kirchen sind, wie alle andern Organisationen, von Menschen konzipiert, organisiert und gemanagt. Kirchen leiten ihr Handeln aus dem Auftrag ihres Gottes ab und reklamieren damit Unantastbarkeit - beim Papst gar die Unfehlbarkeit - für sich. Nicht anders im Islam, der sich im Gottesbezug und der Organisationsform unterscheidet, nicht aber im Prinzip. Dieser Anspruch der Weisungsbefugnis unter Berufung auf Gott galt und gilt unverändert, obwohl tausendfach und völlig unbestritten belegt ist, dass die, die ihn gegenüber dem Glaubensvolk erheben, die Regeln zum Teil in wüstester Weise gebrochen haben und anhaltend brechen.

Es sind Menschen in Form von Klerikern jeder Religion, die friedliches Zusammenleben, Nächstenliebe und Respekt vor Leben predigen und die Einhaltung der Gebote ihrer heiligen Schriften einfordern, aber sie selbst brechen, zu Hass und Mord aufrufen, wenn die eigenen Vorstellungen, der eigene Machtanspruch in Gefahr ist.

In Nord-Irland wird noch immer der seit Jahrhunderten bestehende Konflikte zwichen Katholiken und Protestanten mit Billigung der Kirche gelebt, die katholische Kirche untersagt ihren Gläubigen die Benutzung von Kondomen bei sehnenden Auges dadurch verursachten tausenden Aids-Toten, Mullahs erlassen Mordaufrufe gegen Menschen, die ihren Gott beleidigen, schicken Kinder mit Sprengstoffgürteln und dem Versprechen, im Jenseits für die gute Tat belohnt zu werden, als lebende Fernzünder-Bomben los, um Andersgläubige zu töten, Sunniten sprengen Schiiten in die Luft und umgekehrt, weil die jeweils anderen den Koran anders interpretieren, usw.

Der blutigste Teil der Menschheitsgeschichte sind Konflikte, die wegen religiöser Rechthaberei von Menschen befeuert wurden, die sich als Executive Göttlichen Willens und im Auftrag ihres jeweiligen Gottes verstanden haben und gerechtfertigt sahen und sehen.

Befreien wir uns vom Übel Kirche und den selbsternannten Vertreten ihrer jeweiligen Götter und ihrem Beharren auf unsinnig gewordene Regeln im Namen eines jeweiligen Gottes.

Die in Europa relevanten Religionen sind 2000 Jahre alt und älter, ihr Weltbild hat sich überholt und der damalige Erfahrungs- und Denkrahmen aus der vorderasiatischen Wüstenregion auch. Der Nachweis von Gottgefälligkeit durch Abschneiden der Vorhaut kollidiert mit der grundgesetzlich zugesicherten körperlichen Unversehrtheit Schutzbefohlener, Schächten von Tieren mit unserem Tierschutz und die Gefahr von Trichinen muss nicht mehr durch Verzicht auf Schweinefleisch sicher gestellt werden. Und übrigens: Frauen sind kein Eigentum und Verfügungsmasse des Ehemannes.

Es ist Zeit, sich von kirchlichen Regeln und ihren Repräsentanten zu befreien, zu lösen von einer Moral und Orientierungen, die im Wüstensand vor 2000 Jahren entstanden sind.

Lasst uns die Menschenrechte und den Kategorischen Imperativ als Orientierung im respektvollen Umgang miteinander nehmen und die ethischen Verhaltensmuster, die jeder Spezies gegeben sind und die darin gipfeln, dass man seinesgleichen nicht schadet.